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Peter Video beim WetzenPeter Vido lebte vom 10. Juni 1950 bis zum 23. Juni 2018Schnitter Tod, Nikkolo Feuermacher 2017 alle Rechte vorbehalten

Klaus Kirchner sprach über ihn mit Christiane Laganda.

Christiane: 2002 in der Schmied-Leitn beim Hammerschmiedfest in Leonstein hab ich Peter Vido mähen gesehn. Die Art und Weise wie er gemäht hat, hat mich so fasziniert, dass ich meiner Familie gesagt hab: ich bleib jetzt da und schau ihm so lang zu bis ich verstand’n hab wie er das macht.
Klaus: Was war das berührende daran wie er gemäht hat?
Christiane: Ruhe, Gleichmut, die harmonische Bewegung. Er war eins mit sich, dem Werkzeug und der Wiesn. Er hat nicht so ausg’schaut als hätt er die Idee, dass er Gras mähen will. Einfach eine Bewegung durch das Gras mit dem Effekt, dass das Gras umfällt.
Es war für mich so schön zu sehn wie sich das zusammen harmonisiert. Dann hat er eine Pause gemacht und ist zu mir gekommen weil ich da so ausdauernd gesessn bin. Er hat gefragt was ich da will. Ich: Bitte keine Pause machen, ich will das jetzt für mich entschlüsseln.
Peter: Das geht nur wenn man das Gerät wirklich in der Hand hat.
Dann hat er mir einen Wurf von sich gegeben, der ein wenig anders eingestellt war. Das waren für mich die ersten Momente wo ich gewusst hab: Das ist genau das. Jetzt hat sich der Kreis geschlossen. Das ist es was ich jetzt machen will. Lernen.
Als Kind hab ich es schon faszinierend gefunden mit der Sense zu mähen. Wir haben Hasen g’habt, rundherum Bauern, die ich bei der Mäharbeit gesehen hab, auch meinen Vater. Ich wollte das immer, aber mir ist gesagt wordn: Du bist zu klein, das geht nicht. Das ist zu gefährlich und so weiter …
In meiner Jugendzeit hab ich das vergessen. Wie wir dann 2001 ins Haus gezogen sind und 2.000 qm Wiesenfläche für uns zu bewirtschaften hatten, hab ich im Schuppen eine Sense gefunden und mich an meine Faszination erinnert. Ich hab mir vom Bauern, der den Rest der Wiesenfläche gemäht hat, auf die Sense eine Schneid machen lassen. Der hat das mit einer Flex* g’macht. Ich hab davon nichts verstanden und versucht die Fläche zu mähen. Auf beiden Händen ist mir die Haut abgegangen, solche Blasen … Da war garantiert etwas anders früher hab ich mir gedacht sonst hätten die die Flächen gar nicht mähen können.
Peter Vido hat mich wirklich sehr herausgefordert was Modelle, Variationen von Würfen anbelangt. Er ist eine Woche später gekommen, hat mir einen Wurf gebracht: Üb‘ und schau wie es Dir mit dem Wurf und dieser Sense geht! Er hat unglaublich viele Fragen gestellt und mich ganz viel zum Überlegen gebracht. Das hat mein Leben verändert. Ich hab schon von mir aus viele Dinge hinterfragt, aber mit ihm ist es noch intensiver geworden: das Hinterfragen. Was macht das mit mir? Das auch in Beziehung zu stellen mit meinem eigenen Leben. Ich hab oft ganz unterschiedliche Sensen von ihm gehabt, unterschiedliche Würfe – und er hat auch an mir gelernt weil er für sich noch einmal Überlegungen angestellt hat: Der Wurf braucht dieses und jenes.
Durchs Yoga (Christiane Laganda ist Yoga-Lehrerin) habe ich ein gutes Körpergefühl und konnte immer gleich sagen: Der Wurf, das passt überhaupt nicht zam. Es war wurf-konzentriert weil seine Sensen eh immer so scharf waren, dass sich die Frage nach der Schneid nie gestellt hat. Ich hab gewusst: Wenn Du keine scharfe Sense hast brauchst nicht mähen gehn. Der Wurf ist dann eine persönliche Angelegenheit. Der Wurf passt zu Dir wie ein Paar Schuh.
Es war einige Jahre lang schön mit Peter Vido zu arbeiten.

ein sensorium gepinselt von nikkolo feuermacher

Bild: Nikkolo Feuermacher

Klaus: Von meinen Gesprächen mit Menschen habe ich den Eindruck bekommen, dass Peter Vido viel für das Weiterleben des Sensen-Mähens bewegt hat. Wie siehst Du seine Bedeutung?
Christiane: Seine Grund-Idee war immer: dass die armen Länder einen Weg entwickeln ihr Überleben zu sichern um so wenig wie möglich auf Erdöl angewiesen zu sein. Da hat er viel nachhaltiges in Bewegung gebracht. Das konkrete Projekt in Indien ist später gekommen. Aber die Idee war immer da: nach Afrika oder Indien zu gehen und den Nonsens aufzuhören: Einen von Erdöl und Technikern abhängigen Traktor dorthin zu schicken, wo es so viele Menschen gibt, die etwas tun wollen und können. Wenn man eh keine Arbeit hat, kann man gern mit Handwerkzeug DAS bewerkstelligen was mit einer wartungsintensiven Maschine eh nicht gemacht werden kann. Er hat es tatsächlich geschafft das in Bewegung zu bringen.
Was mich immer wieder traurig gemacht hat war, dass er durch diese Idee seine Familie hintan gestellt hat. Das hat für mich nicht zusammen gepasst und einen Abstand zwischen uns gemacht. Er hat eine Frau, zwei Töchter und einen Sohn.
Klaus: Im Video No Oil schleudert eine junge Frau eine Sense auf einem zugewucherten Landwirtschafts-Panzer.
Christiane: Das ist eine Tochter von ihm, die Ashley oder die Fairlight.
Klaus: Haben die noch einen Hof in Kanada?
Christiane: So weit ich informiert bin haben alle mit der Sense gemäht, das war eine Familiengeschichte. Aber eine der Töchter ist zum Bruder nach Toronto gegangen, der Sohn hat eine eigene Familie. Wie der Hof jetzt von seiner Frau bewirtschaftet wird weiss ich nicht. Ich war selber leider nie drüben, aber der Gerhard Wagner.
Schnitterin, MähderinChristiane: Mein Mähen: Wie der Peter Vido mir zu Beginn das erste mal gezeigt hat wie das Mähen geht – bis heute: die Gelassenheit, das Feine, was er repräsentiert hat, hat sich erst über die Jahre entwickeln können. Ich war noch viel in einem Wettbewerb mit mir selbst: Kann ich das so gut wie er? Über die Jahre hat sich das geändert und ich hab für mich mein eigenes entwickelt. Das ist dem ähnlich aber doch anders. Für mich war wichtig, dass Abstand war. Jedes Jahr in dem er da war, war da sein Einfluss, seine Korrekturen, …
Durch den Abstand hab ich die Möglichkeit in dem mich reflektieren mich selbst zu entwickeln. Ich traue mir jetzt zu alles mögliche zu mähen – was es an Herausforderungen gibt.
Klaus: Ist das noch eine Suchbewegung? Oder weisst Du jetzt wie es geht?
Christiane: Es ist ein kontinuierlicher Prozess des Weiter-Lernens und zu schaun: Oh hoppala – wenn ich das so mache geht es noch leichter. Zu Experimentieren und damit zu spielen ist für mich das, was ich weitergeben will. Die Leichtigkeit brauchst Du in Dir selbst, aber es kann trotzdem eine anstrengende Arbeit sein. Was ich vermitteln möchte ist: dass man diese Leichtigkeit finden kann. Aber nur dann wenn man es sich selber gestattet. Und wenn man sich das Wissen um das Werkzeug selbst aneignet, gewinnt man die Sicherheit damit zu spielen. Wie beim Radlfahrn: Du kannst immer gradaus fahrn, so wie jedeR das Radl verwendet. Oder Du kannst so eine Sicherheit entwickeln, dass Du sagst so, ich fahr jetzt freihändig und kann trotzdem fahrn. Es ist das Schöne an dem Werkzeug, dass man ganz viel mit sich und über sich selbst lernt.
Klaus: Danke.

*Anmerkung:
eine Flex* ist ein elektrischer Trenn-Schleifer mit dem (je nach eingesetzter Scheibe) Stahl geschnitten oder geschliffen werden kann. Es fliegen Funken. Schutzbrille, Handschuhe, Schürze sind nötige Begleitmittel. Beim Flexen eines Sensenblattes erhitzt sich das Blatt in der Regel so sehr, dass seine Härte und geschmiedete Struktur verloren geht. Die Schneid, die durch Flexen entsteht hat keinen langen Stand wie z.B. eine gedengelte Schneid, die durch das Dengeln auch gehärtet wird.