oder:
Der Fuchs, die Biene und die Sense

Foto: Frédéric Coquelet 2019
Seit zehn Jahren engagiert sich Klaus Kirchner unter der Marke Schnitter für das Mähen mit der Sense. Im Interview mit Claudine Feuermacher-Montigne erklärt er, was ihn antreibt und was ihn am Werkzeug Sense fasziniert.
Was hat dich, einen erklärten Städter, zum Mähen mit der Sense gebracht?
Das ist kein Widerspruch. Gerade weil ich ein Städter bin und in Wien lebe, mache ich Sensenkurse. Diese Stadt ist stolz auf ihre Weinberge und ihren Gemüsenabau. Stadt steht nicht im Widerspruch zu natürlicher Vielfalt. Mittlerweile sind ja industriell landwirtschaftlich genutzte Flächen viel ärmer an Arten als Städte.
Als Kind bin als Kleinknecht an einen Bauernhof verliehen worden. Der Kontakt zu diesem Bauernhof stammte aus der Zeit, in der es für Leute in der Stadt wichtig war, ihren eigenen Bauern oder Hof zu kennen, um die Lebensmittelversorgung im Krisenfall sicherzustellen.
Du hast schon als Kind mit der Sense gemäht?
Ich habe sie nur heimlich ausprobiert, weil ich sie für ein interessantes Werkzeug hielt. Natürlich war es für ein Kind streng verboten, eine Sense anzugreifen. Mit dem Traktor durfte ich schon fahren. Große Flächen sind auch damals schon mit dem Traktor gemäht worden.

Als Erwachsener bin ich zum Sensenmähen durch genau so einen Kurs gekommen, wie ich ihn jetzt selbst veranstalte. Vier Stunden, allerdings nicht in Wien, wie ich das mache, sondern in der Umgebung. Ich habe dabei nicht nur herausgefunden, dass das Mähen mit der Sense ein lustiger Tanz im Freien ist, sondern auch gesehen, was für interessante und unterschiedliche Menschen sich dazu melden.
Warum hast du diesen Kurs überhaupt gemacht?
Meine Frau kommt vom Land. Und sie sehnt sich danach, früh aufzustehen und im Pyjama barfuß in die Wiese hinauszugehen und ihre Rosen zu betrachten. Wie viele Städterinnen und Städter hat sie ein kleines Haus am Land. Und ich habe von Anfang an gesagt, dass ich auf keinen Fall einen stinkenden Rasemäher schieben oder mit kastrierten Schafen zusammenleben will und schon gar nichts mit einem Mähroboter zu tun haben möchte. Meine Frau hat einen Sensenkurs ausfindig gemacht und mich hingeschickt.
Dann hat sich die Möglichkeit geboten, dass ich Sensenlehrer werde und das Gelernte weitergeben kann. Ich habe gerne mit Menschen zu tun und ich bin gerne draußen in der Natur.
Ich habe ein Sensenlehrer-Diplom, ein großes, echtes Diplom. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man anderswo als in Österreich dafür so ein großes Diplom bekommen kann.

In deinem Brotberuf bist du Supervisor und beschäftigst dich intensiv mit dem Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ist es schwierig, das Mähen mit der Sense zu erlernen? Womit könnte man es vergleichen?
Mit dem Schwimmen vielleicht. Nach einem Kurs kann man den Kopf über Wasser halten, wenn man ins Wasser fällt. Wenn man weiter übt, schwimmt man irgendwann vollkommen entspannt und muss nicht mehr darüber nachdenken, was das eigentlich für Bewegungen sind.
Es ist nicht so, dass man nach vier Stunden Sensenkurs schon alles weiß und alles kann, was man mit der Sense machen kann.
Als Supervisor bin ich weniger ein Spezialist fürs Lernen, sondern Spezialist dafür, Menschen dabei zu begleiten, dass sie selbst gut arbeiten. Bei mehrtägigen Kursen kann ich die Leute dabei begleiten, die beste Form zu finden, wie sie selbst lernen. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit dem Werkzeug, sondern auch mit den eigenen Ansprüchen. Manche Menschen sind wahnsinnig genau und vergleichen das Ergebnis, das sie mit der Sense haben, mit einem Rollrasen. Dann geht es darum, wie gehe ich mit meiner Frustration um, wie motiviere ich mich selbst, wie bleibe ich dran und wie habe ich eine Freude am Tun.
Diese Freude am Tun und die Sinnhaftigkeit im Tun zu erleben, das ist das Zentrum von Supervision und das ist ganz gut mit dem Sensenmähen verknüpfbar.
Grob geschätzt, wie viele Schülerinnen und Schüler hast du in diesen zehn Schnitterjahren schon gehabt?
An die 700.
Haben deiner Einschätzung nach alle diese 700 das Sensenmähen erlernt und haben Freude damit?
Ich vergebe am Ende der Kurse Diplome. Dabei ist es mir wichtig, die Diplome an die Leute zu vergeben, von denen ich den Eindruck habe, sie haben den Einstieg geschafft. Und das sind fast alle. Mir fallen nur wenige ein, von denen ich glaube, dass sie nicht mit einer Begeisterung und der Absicht weiter zu üben, vom Kurs weggegangen sind.
Mähst du selbst regelmäßig mit der Sense und was sind das für Flächen?
Während der Saison ja. Natürlich bei den Sensenkursen und den ‘Miteinandermähen‘-Veranstaltungen. Und regelmäßig auf dem Grundstück meiner Frau. Da gibt es eine richtige Wiese, keinen Rasen. Teile stehen höher, manche Pflanzen sollen auf jeden Fall überleben, blühen und aussamen, um Schmetterlings- Bienen- und Hummelweiden zu werden. Es gibt auch Hügel, Stauden und Robinienschößlinge, die in einer unglaublichen Geschwindigkeit zu einer Dicke von einem Zentimeter Durchmesser heranwachsen. Und es gibt auch offenes Terrain, wo ich großflächig mähen kann. Also durchaus unterschiedliche Herausforderungen.
Hast du eine Lieblingssense oder ein Lieblingswerkzeug rund ums Sensenmähen?
Natürlich begeistere ich mich für Sensenblätter. Und es gibt eine Sense, die 65er mit der Steinspitze, die mir so gut gefällt, dass ich sie habe schmieden lasse – für Rechts- und für Linkshänder und mit einer Schnitterpunze. Diese Sense gibt es so im Handel nicht. Sie ist eine gute Allroundsense. Fast alle Sensen, die ich verwende, kommen aus der letzten Sensenschmiede in Österreich, der Firma Schröckenfux im oberösterreichischen Roßleithen.
Der Holzwurf und der Kumpf fallen mir noch ein und natürlich mein Sensencaddy. Die Holzwürfe werden ständig weiterentwickelt. Wo immer möglich, verwende ich regional hergestelltes Werkzeug, wie auch die Kumpfe aus Rinderhorn. So ein Kumpf ist für mich der Beleg dafür, dass es in Österreich tatsächlich noch Rinder gibt, die Hörner haben dürfen. So ein Kumpf ist schön. Und würde man ihn auf der Wiese vergessen, verwittert er einfach und löst sich in nichts auf, abgesehen von der Metallschnalle, falls überhaupt eine dran ist.

Mein Sensencaddy ist ein umgewidmeter Golfcaddy. Golf spielen hat einiges mit dem Sensenmähen gemein. Dummerweise ist es eine Art der Betätigung, die wahnsinnig viel Fläche vernichtet. Man kann sich auch draußen bewegen und etwas FÜR die Natur machen. In Anlehnung an die Friedensbewegung mit ihrem ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ fordere ich: ‚Golfcaddies zu Sensencaddies!‘.
Wie viele Sensen braucht man für den Hausgebrauch?
Wenn man wirklich alles mähen möchte, was man kann, braucht man nicht mehr als drei Sensen. Eine 50er Staudensense oder in extremeren Situationen ein Posthorn für Stauden und Baumschößlinge, dazu eine kurze wendige Sense, zum Beispiel eine 65er. Falls man in die Verlegenheit kommt, wirklich eine große Fläche zu mähen, könnte man noch eine längere Sense, vielleicht eine 90er einsetzten.
Sehr attraktiv an deinen Kursen ist auch, dass verschiedene Sensen ausprobiert werden können. Haben die Leute ähnliche Präferenzen?
Anfängerinnen und Anfänger mähen gerne mit kürzeren Sensen, weil das leichter ist. Und dann gibt es Sensen, die während eines Kurses sehr ‚in Mode‘ sind. Dann heißt es, die ist die Beste, hast du die ausprobiert? Ich habe auch ganz schlanke, leichte 60er Sensen für Schnitter schmieden lassen, weil ich beobachtet habe, dass die viel verwendet werden. Viele, die einen Sensenkurs besuchen, haben kleine Flächen und brauchen wendige Sensen.
Ich habe auch schon erlebt, dass eine Frau bei einem zweiten Sensenkurs mit Rückenschule in der letzten Minute eine 75er Sense ausprobiert hat. Und weil sie ja schon mit einer kurzen Sense geübt hatte, hat ihr das Mähen mit der 75er so gut gefallen, dass sie ihre kurze Sense bei mir umgetauscht hat.

Hast du eine besondere Begeisterung für Werkzeuge allgemein?
Auf jeden Fall. Nicht nur, weil mein Vater in seinem Ursprungsberuf Werkzeugmacher war und ich viel von ihm gelernt habe. Es gibt Werkzeuge, die schränken ein und es gibt Werkzeuge, die machen einen Raum auf. Alte analoge Werkzeuge, die ein Teil der menschlichen Kultur sind. Und um deren Qualität zu erkennen und sie instand zu halten, dafür mache ich Kurse – auch mit anderen Handwerkern gemeinsam.
Das Sensenblatt ist über die Jahrhunderte ausprobiert und immer weiter verbessert worden. Mit den Sensenkursen sorge ich indirekt dafür, dass dieses Werkzeug weiterhin hergestellt wird, weil dadurch auch eine Nachfrage entsteht. Das ganze Wissen, das sich in dem Werkzeug verdichtet, kann verschwinden. Menschen können sich auch rückwärts entwickeln. Fähigkeiten und Kenntnisse können verkümmern oder gar nicht entwickelt werden. So, wie die großen Gründerzeithäuser in Wien aus Ziegeln gemauert sind – so mauert heute niemand mehr. Maurer, die das können, werden nicht mehr ausgebildet. Insofern ist das Sensenmähen mit seinem Werkzeug exemplarisch.
Das klingt jetzt ein bißchen nostalgisch.
Einen Sensenkurs zu machen, bedeutet nicht, sich als mittelalterlicher Bauer oder Bäuerin zu verkleiden. Es bedeutet, mit einem Werkzeug umzugehen, das eine Tradition hat. Die Möglichkeit, so viele Sensenblätter auszuprobieren wie jetzt, die hat es vor 50 Jahren gar nicht gegeben. Da hat es eine Sense gegeben für eine bestimmte Region, die haben alle benutzt. Unter den Sensen, die ich aktuell in den Sensenkursen verwende, ist das sogenannte Modell 2010. Ein Sensenschmied hat im Jahr 2010 versucht, eine optimale Sense zu schmieden. Diese Form gab es vorher nicht. Die Holzwürfe, die wir verwenden, gibt es erst seit diesem Jahrtausend. Sie sind ergonomisch geformt und nach der Körpergröße einstellbar.
Was ist für dich beim Mähen der schönste oder der befriedigendste Moment?
Wenn es nur einen Moment gäbe, wäre es traurig. Man verbringt ja einige Zeit damit.

Ein herausragender Moment für mich ist es, frühmorgens zu Beginn eines Sensenkurses mit dem Werkzeug hinauszugehen auf die Wiese. Tau liegt am Gras, manchmal steigt noch Nebel auf oder man sieht Tiere, die unterwegs sind. Das sind sehr berührende Momente, die ich normalerweise als Städter nicht wahrnehme, weil ich noch schlafe.
Man geht aber nicht nur aus romantischen Gründen so früh raus?
Nein, es muss noch Feuchtigkeit zwischen den Gräsern sein, damit man schneiden kann. Irgendwann ist es dafür zu heiß und zu trocken.
Doch zurück zu weiteren herausragenden Momenten beim Mähen…
Die Bewegung selbst. Sie ist einfach schön und angenehm. Wenn es läuft und man im Flow ist, wird man eins mit dem Moment und vergisst, was man macht. Man ist einfach da und hört und atmet.
Und dann sicherlich, wenn fertig gemäht ist. Bei den Sensenkursen in Schrems durften wir in den letzten Jahren eine Wiese an einem Bach mähen. Diese Fläche steht unter Naturschutz und darf erst ab einer bestimmten Zeit im Jahr gemäht werden. Dort steht dann das Gras wirklich hoch und man muss den Zugang zur Wiese erst einmal freimähen. Man geht früh um halb sechs gemeinsam dorthin, sieht die Fläche und denkt sich, wie soll das gehen, wir haben keine riesige Maschine, die da drüber rumpelt, sondern nur Sensen. Und dann um halb neun ist das Mähen vorbei: Das Gras liegt in Reihen und man weiß, es wird jetzt abgeholt und verfüttert oder zu Heu verarbeitet. Man hat wirklich geerntet und nicht verwüstet, das ist sehr befriedigend. Manchmal spiele ich dann Dudelsack. Das ist ein Moment, in dem man sich sehr verbunden mit der Natur fühlen kann, ein Moment der Andacht.
Was braucht es aus deiner Sicht, um ein guter Schnitter oder eine gute Schnitterin zu sein?
Auf jeden Fall Humor. Um über sich selbst und über Situationen lachen zu können. Beim Sensenkurs bin ich unter Gleichgesinnten. Doch wenn ich zurückgehe in meine Kleingartenkolonie und meine Nachbarn fahren geräuschvoll mit ihren Maschinen herum, kann es sein, dass ich mit meiner Sense von ihnen als komischer Kauz wahrgenommen werde. Und da brauche ich einen guten Humor um das weiter zu spielen und nicht die Laune zu verlieren. Den brauche ich auch, um mit den Schwierigkeiten umzugehen, die ich im Lernprozess habe.

Und eine Liebe zur Natur, zu den Pflanzen, Insekten und Vögeln, zu den Tieren, zu deren Weiterexistenz man beiträgt. Das ist wichtig, weil man sich daran freuen kann.
Und eine Freude an der Bewegung. Ich habe es mehrmals erlebt, dass alte Menschen zum Mähen dazukommen. Sie gehen vielleicht sogar am Stock. Und dann nehmen sie eine Sense in die Hand und kommen sofort in eine fließende Bewegung hinein, für die sie keine Kraft brauchen. Diese Freude sich in der Natur zu bewegen, wird mir helfen, als Schnitterin oder Schnitter dranzubleiben.
Du bietest ja nicht nur Kurse an, du betreibst auch einen Blog zum Sensenmähen und beschäftigst dich mit dem Thema auf mehreren Ebenen. Was macht für dich die Faszination des Sensenmähens aus?
Für mich steht das Sensenmähen für eine analoge menschliche Entwicklung. Und egal, wie die Digitalisierung weitergeht, haben Menschen Arme und Beine, bewegen sich in einer realen dreidimensionalen Welt und treffen einander gerne persönlich. Im Umgang mit der Welt um sie herum, haben sie bestimmte Werkzeuge entwickelt, die sie selbst ermächtigen, nicht Werkzeuge, die sie abhängig machen. Diese Selbstermächtigung, die in guten Werkzeugen liegt, möchte ich gerne fördern. Die Sense steht auch für eine Tradition. Es kann zum Beispiel sein, dass die Großeltern mit der Sense gemäht haben, und man sie vielleicht selbst noch dabei gesehen hat. Und man da gerne anknüpfen möchte. Ich hatte einmal eine Frau im Kurs, die wollte, dass ihre Enkelin sie mit der Sense mähen sieht. So eine Tradition weitergeben zu können, ist etwas Seltenes und Kostbares.
Die Sense steht für mich auch für die Möglichkeit, harmonisch mit der umgebenden Natur zu leben. Als Beitrag, dass es weiterhin Flächen mit Artenvielfalt gibt.
Als Städter sehe ich die Zukunft der Stadt nicht in Magnetschwebebahnen oder Ähnlichem. Ich stelle mir vor, dass man in der Stadt viel stärker mit der Natur – mit Bäumen, Pflanzen und Tieren – zusammenlebt.
Welche Leute kommen in deine Kurse?
Sehr unterschiedliche Menschen. Gemeinsam ist ihnen eine bestimmte Wahrnehmung der Welt, eine gewisse Sensibilität und ein gewisses Verantwortungsgefühl dafür, was man tut.
Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen und sind ganz unterschiedlich alt. Von der 19jährigen Studentin, die einen kleinen Garten von der Tante übernimmt bis zum 65jährigen Juristen, der sich ein Grundstück am Land gekauft hat und es selbst mähen und nicht dem Nachbarbauern und seiner Maschine überlassen will… Auch für Biobäuerinnen und Biobauern in Kärnten, Spanien und Frankreich habe ich schon Kurse gemacht. Sie sehen, dass es bestimmte Situationen gibt, in denen eine Sense das ideale Werkzeug ist, zum Beispiel am Rand von einem Gemüsefeld.
Kommen mehr Männer oder mehr Frauen in die Sensenkurse?
Ich freue ich mich, dass in den Kursen mindestens so viele Männer wie Frauen sind. Nein, es sind mehr Frauen als Männer in den Kursen. Das hängt wohl auch mit meinem Blog namens schnitter.in zusammen. Das beinhaltet, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Und dementsprechend kommen sie und haben Vertrauen. Schnitter ist eine städtische Angelegenheit – ohne Lederhosen und Kniestutzen. In der Stadt hat das Patriarchat schon mehr auf die Mütze bekommen als auf dem Land.

Wie schaut es bei den Sensenlehrern aus?
Ich kenne eine einzige Sensenlehrerin, mit der ich auch zusammenarbeite.
Zurück zu 10 Jahren Schnitter. Hättest du gedacht, welche Entwicklung dein Griff zur Sense nimmt?
Auf keinen Fall. Ein- bis zweimal im Jahr überlege ich, ob ich nicht damit aufhören soll. Und dann gibt es immer wieder einen Grund, dass ich doch noch einmal Kurse ausschreibe. Was letztes Jahr (2020) wahnsinnig schwer war. Ich habe aus der Gemeinschaft von Leuten, die bereits Sensenkurse bei mir gemacht haben, so viel positive Rückmeldung bekommen, dass ich gedacht habe, da bleibe ich dabei.
Zu Anfangszeiten war es schwer, überhaupt eine Fläche zu finden, dann hat es doch eine Resonanz gegeben. Zum Beispiel haben mich die Leute vom Botanischen Garten angesprochen. Kein einziger Sensenkurs ist ausgefallen, weil sich niemand angemeldet hätte. Es ist die Resonanz der Menschen, die mich motiviert, weiter zu machen.
Die enttäuschendsten Momente kommen natürlich auch von Menschen. Es gab Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, dass Sensenlehrer-Kollegen versuchen, dafür zu sorgen, dass man keine Kurse mehr anbietet. Anfangs habe ich mit meinen Kursterminen auch die Sensenlehrer angeschrieben, die ich kannte. Einfach zum Austausch. Da habe ich Antworten bekommen, wie ‚wir brauchen keinen Mundl, wir können schon mähen‘.

Wo siehst du Schnitter in 10 Jahren?
Ich wünsche mir, dass ich weniger Kurse mache, vielleicht nur zwei oder drei in der ganzen Saison. Und junge Menschen – auch Frauen – Sensenlehrerinnen und Sensenlehrer sind bei Schnitter, so dass es insgesamt mehr Kurse gibt und dass sich das Format ‚Miteinander mähen‘, das es ja jetzt schon gibt, verselbständigt hat, im Sinne von Nachbarschaftshilfe und im Sinne von konkret etwas miteinander Machen. Auf Schnitter.in veröffentlicht jemand, dass er eine Wiese zum Mähen hat. Wer Lust hat, kann an diesem Wochenende vorbeikommen und dann treffen sich da einfach Menschen, die einen totalen Spaß haben, miteinander zu mähen und daraus ein Fest machen. Ganz viele Feste in der Natur, bei denen nicht Müll zurückbleibt, sondern eine wunderbar geschnittene Wiese. Und den Leuten wird dabei geholfen, solche Wiesen weiterhin naturnah zu erhalten.
Und ganz allgemein ist mein Traum für die Zukunft, dass die Sense wieder zurück aufs Land geht. Die industrialisierte Landwirtschaft hat sie ja – genauso wie Füchse, Bienen und Vögel – in die Stadt vertrieben. Natürlich sollen nicht die Städter die Sense verlieren, sondern die Sense und vor allem das damit verbundene Denken sollen genauso wie die Tiere wieder aufs Land hinausgehen können.
Du wendest sehr viel Zeit und Herzblut für Schnitter auf. Ökonomisch ist das Ganze Liebhaberei. Was ist deine ganz persönliche Motivation?
Die Menschen, denen ich dabei begegne. Und die Utopie, dass Menschen mit Tieren und Pflanzen zusammenleben können. Ich erlebe in den Sensenkursen, dass Menschen in der Lage sind sensibel, wertschätzend und intelligent zu handeln. Wahrscheinlich bin ich auch ein Träumer. In einer Zeit, in der sich abzeichnet, dass die Menschen aussterben, weil sie ihre Lebensgrundlagen zerstören, halte ich an dieser Utopie fest. Und ich tanze noch ein bißchen. Solange ich eine Wiese finde, auf der ich mit anderen Menschen herumtanzen kann.