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Warum auch künftige Generationen die Sense brauchen und Wertschätzung entscheidend ist, erklärt Klaus Perthmayr, Betriebsleiter beim Sensen- und Mähmesserwerk Schröckenfux in Roßleithen. Das Gespräch mit Irmgard und Klaus Kirchner fand am Telefon statt.

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Mitte: Klaus Perthmayr

Klaus Kirchner: Sie sind seit 2006 technischer Leiter bei Schröckenfux und damit auch für die Sensenproduktion verantwortlich. Wie sind Sie ins Sensenwerk gekommen?

Klaus Perthmayr: Ich habe damals als Konstrukteur, als Sicherheitsfachkraft und im technischen Kundendienst in Kremsmünster gearbeitet. Ein Bekannter hat meiner Frau erzählt, dass sie bei Schröckenfux so jemanden wie mich suchen. Ich habe mich dann bei Schröckenfux gemeldet und mir den Betrieb angeschaut. Damals habe ich mir gedacht: „Sensenproduktion. Oh weh, das schaut nicht gut aus.“ (…lacht) Ich habs mir dann ein zweites Mal angeschaut und gesagt: „Passt. Ich möchte anfangen. Das interessiert mich.“

Klaus Kirchner: Hatten Sie vorher schon mit Sensen zu tun?

Klaus Perthmayr: Gar nicht. Ich habe den Beruf des Werkzeugmachers erlernt. Nach der Ausbildung bin ich allerdings in die Kunststoffverarbeitung gewechselt.

Irmgard Kirchner: Ich habe Sie einmal in einer ORF-Doku gesehen: Sie und Ihre Familie als perfekte Rollenmodelle für das Sensenmähen. Haben Sie eine persönliche Geschichte mit der Sense, bevor Sie bei Schröckenfux angefangen haben?

Klaus Perthmayr: Ich wohne mit meiner Familie im Elternhaus meiner Mutter, in einer Kleinlandwirtschaft. An meinen eigenen Großvater kann ich mich noch sehr gut erinnern. Er hatte einen 15er Steyrer Traktor mit hinten einer Palette fürs Futter. Das Futter für die vier Kühe wurde mit der Sense gemäht. Als Bub hab ich mir einmal die Sense ober dem Handgelenk über meinen Arm gehängt, wie man sie an einen Nagel hängen würde. Die hat so eine Schneid gehabt, dass ich gleich geblutet hab. Ich wusste, dass man mit diesem Werkzeug gut Futter mähen kann, ohne Lärm und Gestank. In der Volksschulzeit haben wir einmal einen Schulausflug zum Piesling Ursprung gemacht und sind dabei durch das Werksgelände der Firma Schröckenfux gegangen. Ich habe die riesige Rohrleitung für das Kraftwerk gesehen, die schwarzen Gesichter der Arbeiter. Fasziniert hat es mich, aber ich hätte mir damals nie gedacht, dass ich da einmal arbeiten werde. Es sind Zufälle die das Leben bestimmen.

Klaus Kirchner: Sind Sie nur für die Sensenproduktion zuständig?

Klaus Perthmayr: Nein, für alles was das Werk herstellt. Zur Firma Schröckenfux gehört ja auch die Produktion von Mähmesserklingen.

Irmgard Kirchner: Und wofür schlägt Ihr Herz?

Klaus Perthmayr: Schon für die Sense, das muss ich zugeben. Weil es mich fasziniert, dass man aus einem einfachen Stück Stahl ein derartiges Kunstwerk formen kann. Eines, das viel zu wenig geschätzt wird, wo jeder Arbeitsgang zu 100 Prozent von Menschen bestimmt wird. Der Beitrag von Maschinen ist sehr gering. Ich bewundere, was unsere Leute da mit ihrem handwerklichen Geschick schaffen können.

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Foto: am Waldhammer

Irmgard Kirchner: Wie viele Arbeitsschritte braucht es, bis eine Sense geschmiedet ist?

Klaus Perthmayr: Das hängt davon ab, wie lang und wie breit die Sense ist, welche Ausstattung und welche Verzierungen sie hat. Im Durchschnitt sind es 25 Arbeitsgänge.

Klaus Kirchner: Hat sich seit 2006 etwas im Sensenwerk verändert?

Klaus Perthmayr: Technische Verbesserungen von Maschinen, aber von den Arbeitsgängen hat sich kaum etwas verändert. Dass es das Werk in Roßleithen überhaupt noch gibt, liegt daran, dass wir eine gute Technik hatten und haben, die es verstanden haben, die Arbeitsgänge zu vereinfachen, ohne dass die Qualität der Sensen darunter leidet. Es gehört auch viel Glück dazu, die richtigen Leute zu haben: gute und effiziente Techniker im Haus und im Verkauf die richtigen Menschen, um die Märkte zu betreuen.

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Foto: am Zainhammer

NOCH können wir eine Vielfalt an Sensen produzieren, wie kein anderes Sensenwerk auf der Welt. Wettbewerbs-Sensen mit einer Länge von 135 cm oder Sensen für das Baskenland mit 125 cm kann man sonst nirgends mehr erzeugen. Nur WIR haben Schmiede an den Hämmern sitzen, die dieses Handwerk noch beherrschen. Darauf müssen wir stolz sein und dafür sorgen, dass das so bleibt. 2016 hat Schröckenfux mit der Produktion von qualitativ hochwertigen Sensenwürfen begonnen. Ein Set aus Sense und Wurf passend zueinander herzustellen, ist auch ein Alleinstellungsmerkmal, das weltweit sonst nicht zu finden ist.

Klaus Kirchner: Verändert sich bei der Sense noch immer etwas?

Klaus Perthmayr: Die Sense ist ein sehr traditionelles Werkzeug. Die ausgebildeten Sensenlehrer und Sensenlehrerinnen sind immer am Forschen, welche Sensenform günstig ist. Zum Beispiel mit welchem Schneidverlauf Anfängerinnen und Anfänger leicht mähen können. Oft sind es Kleinigkeiten: wie muss der Wurf geformt sein, damit er gut in der Hand liegt oder das Gewicht der Sense gut verteilt, damit die Spitze nicht in den Boden fällt. Im Jahr 2004 gab es in Molln im Bezirk Kirchdorf ein Sensenfestival. Seither gibt es diesen Austausch. Mitinitiator des Festivals war der 2018 verstorbene Umweltaktivist Peter Vido, den viele als „Sensenpapst“ bezeichnen. Seine Lebensmission war, die Sense auf der ganzen Welt zu verbreiten. Ein geniales Werkzeug, für jedermann erschwinglich, sollte auch in Weltgegenden gelangen, wo sie noch unbekannt war, wie nach Indien oder in afrikanische Länder. In unserer Firma sind Leute auf diesen Zug aufgesprungen. So ist es etwa Hermann Schober und Ernst Schoißwohl zu verdanken, dass es bei uns diesen verstellbaren Holzsensenwurf, neue Dengelgeräte wie Schlagdengler oder neuen Dengelamboß und neue Sensenringe gibt. So viel Energie und Faszination für die Sense an einem Ort zusammen zu bringen, das ist weltweit einzigartig!

Klaus Kirchner: Wie schaut denn die Zukunft für die Sense aus?

Klaus Perthmayr: Wie auch immer die Welt sich verändert: eine Welt ohne Sense kann ich mir nicht vorstellen. Die Sense ist so genial, dass wir sie in Roßleithen seit einem halben Jahrtausend durchgehend produzieren und immer weiter verbessern. Es gibt kein effektiveres Mähgerät, das von Menschenkraft angetrieben wird. Angesichts der vielen Probleme mit Energie und Umwelt bin ich überzeugt: die Sense geht immer.

Klaus Kirchner: Heißt das auch, dass es das Sensenwerk immer geben wird?

Klaus Perthmayr: (lacht) Da würde ich mich weit aus dem Fenster lehnen. Ich bin jedenfalls von der Sense begeistert und überzeugt. Eine Schwierigkeit besteht darin, Personal mit dem nötigen handwerklichen Geschick und der nötigen Ausdauer für diese handwerklich herausfordernde Arbeit zu finden. Das gelingt nur mit einer entsprechenden Wertschätzung des Handwerks und einer entsprechenden Entlohnung der Arbeit. Das ist das einzige Rezept für die Zukunft. Sonst wird die Welt diese guten Sensen nicht mehr haben.

Klaus Kirchner: Bei meinem letzten Besuch im Sensenwerk haben Sie erwähnt, dass 2020 wieder mehr Bestellungen für Sensen eingegangen sind, als das Werk produzieren kann?

Klaus Perthmayr: Im letzten Jahr ist der Bedarf deutlich gestiegen, so dass wir mit der Produktion fast nicht mehr nachkommen. Wir können im Sensenwerk die Kapazität nicht nach oben schrauben. Auf Grund der Schwere der Arbeit können wir vom Personal keine Überstunden verlangen. Vielleicht hat der Anstieg der Nachfrage damit zu tun, dass die Menschen mehr in sich gehen, dass sie das Mähen mit der Sense für eine sinnvolle Beschäftigung halten, dass generell ein Trend zurück zur Natur oder zur Beobachtung der Natur da ist.

Irmgard Kirchner: Was sind die wichtigsten Märkte für die Sense?

Klaus Perthmayr: Wir exportieren weltweit in viele Länder. Großteils sind es Stammkunden. Der Hauptmarkt ist derzeit sicherlich noch in Ländern, wo die Sense für den täglichen Lebenskampf gebraucht wird. Zum Beispiel im Vorderen Orient oder im Nahen Osten. Aber im Westen hat sich in den letzten Jahren auch etwas entwickelt und man findet wieder zurück zur Sense.

Irmgard Kirchner: Sie haben ja sicherlich keine Marketing-Abteilung im Nahen Osten. Wie funktioniert der weltweite Vertrieb?

Klaus Perthmayr: Wir beliefern Großhändler und nicht den Einzelhandel. Auf Youtube gibt es ein Video von Jo Pichler, einem Motorradfahrer. Auf einem Bazar in Indien erklärt ihm ein Geschäftsmann den Sensenmarkt. Die türkischen Sensen seien von schlechter Qualität, aber es gäbe auch gute – und dann hält er eine Schröckenfux-Sense vor die Kamera. Es ist faszinierend und berührend, dass die Qualität unserer Sensen auf der ganzen Welt bekannt ist und geschätzt wird.

Irmgard Kirchner: Wie viele Sensen werden in Österreich verkauft?

Klaus Perthmayr: Etwas mehr als zehn Prozent. Fast 90 Prozent werden exportiert. Unsere Sensen finden den Weg in wirklich alle Kontinente.

Irmgard Kirchner: Wie fühlt es sich an, in einer Firma zu arbeiten, die 1540 gegründet wurde?

Klaus Perthmayr: Ich spüre eine große Verantwortung. Es kann nicht sein, dass ein Handwerk, das seit einem halben Jahrtausend seine Berechtigung hat, mit mir endet. Ich bin deshalb in die Firma gekommen, weil ich das Handwerk schätze und eine Vorstellung davon habe, wie es in der nächsten Generation weitergehen kann.

Irmgard Kirchner: Wie schaut es mit der Wertschätzung für das Handwerk seitens der Menschen aus, die im Sensenwerk arbeiten?

Klaus Perthmayr: Ich glaube, dass die Leute sich selbst, ihr handwerkliches Geschick und den Wert der Sense an sich unterschätzen.

Klaus Kirchner: Wie viele Menschen arbeiten da im Augenblick?

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Foto: in der Ausstattung

 

Klaus Perthmayr: In der Sensenproduktion sind es sieben Frauen und zwanzig Männer. An den Schmiedehämmern haben wir eine junge Mannschaft, sonst ist der Altersdurchschnitt eher höher.

Irmgard Kirchner: Werden die Leute speziell angelernt oder gibt es einen naheliegenden Grundberuf, um im Sensenwerk arbeiten zu können?

Klaus Perthmayr: Einen Lehrberuf Sensenschmied hat es um 1900 natürlich gegeben, als es in Österreich noch viele Sensenwerke gegeben hat. Derzeit arbeiten hauptsächlich Anlernkräfte.

Irmgard Kirchner: Auch der Sensenrichter? Wo lernt der sein Handwerk?

Klaus Perthmayr: Das kann er nur bei uns lernen. Er muss lernen zu erkennen, worauf es bei der Sense ankommt und welche Schläge er setzen muss, damit die Sense das richtige Gestell bekommt. Welche Wölbung, welche Bombierung braucht die Sense, welche Krümmung, wie muss die Spitze sein, wie schaut die Schneidhöhe aus? Das ist wirklich etwas ganz Spezielles, das kann nur angelernt werden. Wenn wir eine Annonce laufen haben, schreiben wir: „Wir suchen Sensenarbeiter oder Sensenarbeiterin„. Konkret für welchen Arbeitsgang, brauchen wir gar nicht zu schreiben. Es kann sich eh niemand etwas darunter vorstellen. Die Person kommt und wir zeigen ihr den Arbeitsplatz und worum es geht.

Klaus Kirchner: Gibt es noch etwas Wichtiges, was wir Sie noch nicht gefragt haben?

Klaus Perthmayr: Die Sensenproduktion ist kein einfaches Geschäft! In vielen anderen industriellen Bereichen konnte man Großteils die steigenden Lohnkosten durch Automatisierungen, zusätzliche Maschinen usw. kompensieren. Da unsere Produktionsleistung zu 100 Prozent an unseren Mitarbeitern liegt, reichen die allgemeinen Preiserhöhungen für die Sensenproduktion nicht aus, um kostendeckend zu bleiben. Die Mitarbeiter in der Sensenproduktion können nicht jedes Jahr um drei Prozent schneller arbeiten. Wenn es die österreichische Sense weiterhin in dieser Qualität geben soll, kommen wir um einen Preissprung nicht umhin. Da eine Sense bei entsprechendem Umgang und Pflege sehr langlebig ist, können sich auch noch die Enkelkinder an dem wertvollen Handwerkzeug erfreuen – mit dem schon der Großvater gemäht hat. Jedem Handwerker ist klar, dass gutes Werkzeug Geld kostet und gut investiert ist. Der Preis ist daher eher nebensächlich und kaum jemand wird dadurch in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Aber derzeit gefährden wir aufgrund des zu billigen Preises, den Fortbestand der Produktion von Qualitätssensen in Österreich. Und leider kann eine stillgelegte Sensenproduktion den Betrieb nie mehr aufnehmen. Unwiederbringlich für die Zukunft. Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Wir alle können dieser Verantwortung Rechnung tragen, indem wir den Nutzen der Sense mit all ihren Vorteilen erklären und zeigen, wie aufwändig und anspruchsvoll die Sensenherstellung ist. Und dann entscheiden die Menschen, ob sie die Sense nützlich finden und ob sie bereit sind, dafür einen angemessenen und gerechten Preis zu zahlen.