Schlagwörter
Fortbildung, Gemeinschaft, mental, Pflanzenbestimmung, Sensenmähen

Warum soll man sich mit Geschichte beschäftigen? Um den Griff der Vergangenheit zu lockern und dadurch neue Möglichkeiten zu erkennen, meint der israelische Historiker Yuval Noah Harari. Denn die gegenwärtige Situation sei weder ewig noch natürlich.
Der Autor hat mit seinen Weltbestsellern Eine kurze Geschichte der Menschheit, Homo Deus und 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert eine Art Universalgeschichte der Menschheit verfasst. Und diese Geschichte spielt sich nicht nur in großen Umwälzungen ab, sondern auch auf der Mikroebene des Alltagslebens.
So etwa in der Geschichte des Rasens, einer Errungenschaft, die großen Aufwand erfordert und nichts von Wert produziert.
Schauen wir uns an, was Harari zum Rasen erzählt: „Die Jäger und Sammler der Steinzeit pflanzten im Eingangsbereich ihrer Höhlen kein Gras an. Keine grüne Wiese hieß die Besucher der Akropolis in Athen, des Kapitols in Rom, des jüdischen Tempels in Jerusalem oder in der Verbotenen Stadt in Peking willkommen. Die Idee, vor privaten Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden einen Rasen anzulegen, entstand im späten Mittelalter in den Schlössern der französischen und englischen Aristokratie. In der frühen Neuzeit schlug diese Gewohnheit tiefe Wurzeln und wurde zum Markenzeichen des Adels.“
Der Rasen wurde zu einem Statussymbol, der Inbegriff von Extravaganz und Verschwendung. Und abgesehen von wichtigen Feierlichkeiten und gesellschaftlicher Anlässen war meistens sein Betreten verboten. Harari: „Königspaläste und Herzogsschlösser verwandelten den Rasen in ein Symbol der Macht. Als in der späten Neuzeit Könige gestürzt und Herzoge enthauptet wurden, behielten die neuen Präsidenten und Premierminister den Rasen.“
Der Rasen führte seinen Siegeszug unbeirrbar fort und eroberte vor etwa 200 Jahren auch noch die gesellschaftlich wichtigen Sportarten Tennis und Fußball.
Harari: „Im Zuge dieser Entwicklung setzten die Menschen Rasen mit politischer Macht, gesellschaftlichem Status und wirtschaftlichem Reichtum gleich. Kein Wunder, dass das aufstrebende Bürgertum im 19. Jahrhundert den Rasen begeistert übernahm.“
Anfangs war der Rasen nur reichen Bürgerinnen und Bürgern vorbehalten, doch „als die industrielle Revolution die Mittelschicht anwachsen ließ und den Rasenmäher sowie anschließend die automatische Bewässerung erfand, konnten sich Millionen von Familien plötzlich zu Hause ein Stück Rasen leisten. (…) Gras ist heute in den USA nach Mais und Weizen die meistverbreitete Pflanze und die Rasenindustrie (Pflanzen, Dünger, Mäher, Sprenger, Gärtner) macht jedes Jahr einen Milliardenumsatz.“
Und nicht nur in den USA, Rasen gibt es weltweit. Und überall wird er mit Macht, Geld und Prestige assoziiert.
Am Ende seiner kurzen Geschichte des Rasens erwähnt Harari die Möglichkeit, diese kulturelle Last abzuschütteln und sich für sein eigenes Heim womöglich eine ganz neue Kreation vorzustellen.
Die kurze Geschichte des Rasens findet sich in: Yuval Noah Harari, Homo Deus. Eine Geschichte von morgen, C.H. Beck, München 2017. Zitate mit freundlicher Genehmigung des Verlags C.H. Beck
P.S.: Zeit und Sense verwandeln jeden Rasen früher oder später in eine artenreiche Wiese.
Wie wahr. Schöne Stelle in Homo Deus, und schönes Postscriptum in deinem Blog.