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Aufgestellte Sensen in Kärnten, Foto: Eva Schinnerl

Foto: Eva Schinnerl: „Meine persönliche Liebe zu Sensen stammt vielleicht daher, dass ich in Deutschfeistritz in der Steiermark aufgewachsen bin, wo noch sehr lange eines der letzten Sensenwerke betrieben wurde. Sensen sind ein wunderbares Werkzeug und Symbol für bäuerlichen Widerstand. A guate Schneid haben meint ja auch mutig sein. Fotografiert habe ich die Sensen-Skulptur vor dem Biohotel Gralhof der Familie Knaller am Weissensee in Kärnten.“

Die Befreiung der Bauern – ist noch nicht beendet,“ sagt sagt Franziskus Forster von der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung / Via Campesina Austria zu Klaus Kirchner. „Täglich schliessen 11 Höfe in Österreich, täglich werden 15 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche verbaut und verschwinden. Da läuft etwas falsch.
Wenn wir heute mit der aufgestellten Sense in die Stadt kommen, suchen wir die Solidarität der StädterINNEN. Viele sind selbst oder vor ein/zwei Generationen von Bauernhöfen in die Stadt gewechselt. Heute erholen sie sich gern in der Kulturlandschaft der Berge und essen gern Käse, Milch, Fleisch oder Gemüse von unseren Betrieben.

Kirchner: Wenn ich im Supermarkt ein Tetrapack kaufe auf dem Bergbauernmilch steht, mit einem Bild von einer Kuh am Berg, bin ich dann mit den Bergbauern solidarisch?
Forster: Nein, das kann man so nicht sagen. Milch ist leicht verderblich. Bei der Milch sind BäuerINNEn von Molkereien und vom Handel abhängig (wenn sie nicht direkt vermarkten). Molkereien und Supermärkte sind aber extrem konzentriert in der Hand von wenigen. Raiffeisen verarbeitet in Österreich 99% der Milch, das sind fast alle Molkereien. Bei den Supermärkten teilen sich die drei größten 86% des Marktes. Das ist eine Machtkonzentration, die selbst in der derzeitigen Wirtschaftslogik ein kartellrechtliches Problem sein müsste, aber es passiert nichts. Diese Macht zwingt die BäuerINNEn viel zu oft, ihre Milch unterhalb der Produktionskosten zu verkaufen und damit verlieren sie ihre Existenzgrundlage. Agrarindustrie und Supermärkte instrumentalisieren oft die Bilder von den Bergen. Die nutzen das aus, und das trägt gleichzeitig dazu bei, dass diese Form der Landwirtschaft zerstört wird. Das ist unsere Kritik: Wir werden doppelt ausgenutzt. Da braucht es einen grundlegenden Wandel. Supermärkte müssten in einer ganz anderen Form und unter völlig anderen Bedingungen arbeiten, der solidarische Supermarkt ist noch nicht erfunden. Da werden oft Lügen verkauft und das ist nicht gerecht.
Kirchner: Heisst das, ich soll die Produkte direkt von den ErzeugerINNEn kaufen?
Forster: Wenn jedeR allein alles für sich anders organisieren wollte, wäre das eine völlige Überforderung. Wer aber z.B. in einer Food-Coop (Lebensmittel-Kooperativen) mitwirkt setzt einen ersten Schritt und wenn sich diese Food-Coops miteinander vernetzen den zweiten. Dann kann sich etwas für die Berg- und KleinbäuerINNEn verbessern. Da ist etwas Neues möglich, das entsteht oft im Kleinen. Es braucht Netzwerke und gute Beispiele. Als StädterIN kann man auf solche Initiativen zugehen.
Was ebenfalls in diese Richtung geht ist die Solidarische Landwirtschaft (auf Englisch: Community Supported Agriculture). Das ist noch ein Schritt weiter als die Food-Coop: Ein oder mehrere bäuerliche Betriebe schließen sich direkt mit KonsumentINNen zusammen. Es wird gemeinsam erhoben wie viel Geld für die Produktion notwendig ist, und das wird dann in Form von Ernteanteilen aufgeteilt. Die KonsumentINNEn sichern übers Jahr die Abnahme der Ernteanteile zu und haben so ihre Beteiligung. Sie tragen auch das Risiko mit. Das ist eine erfreuliche, solidarische Entwicklung. Da laufen ganz viele Lernprozesse, wo sich neue Potentiale eröffnen.
Ernährungs-Souveränität ist eine gemeinsame, globale Forderung, die wir als La Via Campesina vertreten. Sie ist der Brückenschlag zu den Menschen, die in der Stadt leben. Ernährungs-Souveränität ist das Recht: darüber mitbestimmen zu können wie Lebensmittel produziert, verteilt und konsumiert werden. Es ist eine Voraussetzung für die Durchsetzung der Menschenrechte. Es kann nicht über die Köpfe der Menschen hinweg bestimmt werden, wie Landwirtschaft zu sein hat. Jeder isst und trinkt und in sofern geht es uns alle etwas an WIE Lebensmittel produziert werden. Es geht um das gemeinsame Wirtschaften und auch das demokratische Prinzip im Umgang miteinander. Unsere globale Forderung ist: Nichts über uns ohne uns! (Nothing about us without us) Wir wollen bei den Sachen mitreden, die uns direkt betreffen.

Franziskus Forster spricht mit den SchnitterINNEn

Franziskus Forster

Kirchner: Von welchem Verein sind Sie?
Forster: Ich bin von der ÖBV, der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung / Via Campesina Austria. Die ÖBV gibt es in Österreich seit mehr als 40 Jahren. La Via Campesina ist spanisch und steht für „der bäuerliche Weg“. Das ist eine internationale Bewegung. Auf der ganzen Welt haben sich KleinbäuerINNEn zusammengeschlossen, um sich gegen die derzeitig vorherrschende Agrar- und Handelspolitik zu wehren, da sie überall kleinbäuerliche Existenzen vernichtet.
In allen Ländern Europas gibt es eine Entwicklung die Strukturwandel genannt wird und scheinbar neutral als eine „Naturgewalt“ daherkommt. In Wirklichkeit sind das von Menschen gemachte, politische Rahmenbedingungen die dazu führen, dass immer mehr kleine und mittlere Höfe zusperren müssen. Seit 1995 sind das ein Drittel aller Höfe in Österreich. Da müssten bei der Landwirtschaftskammer seit Jahrzehnten die Alarmglocken läuten, aber es tut sich nichts. Im Gegenteil: Rahmenbedingungen, die für uns ein wahnsinniges Problem sind, werden fortgeführt. Die derzeitige Agrarpolitik ist so ausgerichtet: Ich muss als einzelner Bauer schaun, dass ich letzendlich den Grund meines Nachbarn erwerbe. Das ist lokal so und letztlich ebenso global, wenn es um die „Eroberung neuer Exportmärkte“ auf Kosten von anderen Bauern und Bäuerinnen geht. So kann ich wachsen und überleben. Das ist etwas entsolidarisierendes und untergräbt lokal wie global jede gute Beziehung. Das hat überall ganz starke negative Auswirkungen: Wachsen – koste es was es wolle – schafft ökologische Probleme und schlechte Arbeitsbedingungen für alle Menschen.
Kirchner: Und die Lebensmittel werden auf keinen Fall besser.
Forster: So ist es. Wir als ÖBV versuchen, das zu überwinden.

baeuerinnen, Nikkolo Feuermacher 2018Kirchner: Was hat die ÖBV in den 40 Jahren erreicht?
Forster: Zum Beispiel die BergbäuerINNEn-Förderung, die sogenannte „Ausgleichszahlung„, und die Bäuerinnenpension (Bis in die 90er Jahre wurde die Arbeit einer Bäuerin auf einem Hof nicht mit einem Pensionsanspruch verbunden.). Beides haben wir durchgesetzt.

Kirchner: Sind Sie Bauer?
Forster: Ich bin Gemüsebauer im Kremstal in Oberösterreich, auch in einer Bergregion, allerdings bin ich im Tal.
Kirchner: Mähen Sie mit der Sense? Können Sie das?
Forster: Im Gemüsebau ist die Sense eher selten im Einsatz. Feingemüse braucht andere Werkzeuge.

Salatsense

Salatsense

Kirchner: Danke schön!
Forster: Danke auch!