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Ada Höchtl, 26, studiert Agrarwissenschaften, arbeitet im Gemüsebau und ist als Sensonautin neu im Team von Schnitter.in
Foto: Irmgard Kirchner

Ada Höchtl ist neu im Team von Schnitter.in. Im Gespräch mit Irmgard Kirchner erklärt sie, warum sie so gerne mit der Sense arbeitet und was das mit Naturschutz zu tun hat.

Wie bist du zum Sensenmähen gekommen?

Als Kind habe ich sehr gerne mit Playmobil-Figuren gespielt. Da gab es eine Gerätschaft, die mir sehr fremd war. Man hat mir erzählt, das sei eine Sense. Ich konnte mir allerdings nicht erklären, wozu sie gut sein soll und was man damit machen kann.

Mit 19 habe ich ein halbes Jahr in Schottland als Wooferin verbracht, das heißt für Kost und Logis auf Bauernhöfen oder bei Privatleuten, die Hilfe im Garten gebraucht haben, gearbeitet. Ich bin bei einer Hofgemeinschaft in den Bergen an einem wunderschönen See untergekommen. Dort gab es einen Bauern, der mit der Sense gemäht hat. Ich fand das spannend und schön anzuschauen. Der Bauer hat es mir gezeigt und ich durfte seine Sense verwenden. Allerdings bin ich dort nicht viel zum Sensenmähen gekommen. Doch seither klaube ich mir an verschiedensten Orten meine Erfahrungen zusammen. Im Garten meiner Eltern konnte ich mich viel ausprobieren. Und auch in den verschiedenen Betrieben, in denen ich Praktika gemacht habe. Meist liegt oder steht ja in einem Eck eine verrostete Sense herum. Ich war dann der Mensch, der sich die Sense angeschaut hat und mit mehr oder weniger Erfolg ans Mähen gegangen ist.

Ich bin Capoeirista. Capoeira war mein Einstieg in ein freudvolles, spielerisches Arbeiten mit meinem Körper. Lernen, Form finden, Form halten, mit der Form spielen, mit dem Atem spielen…all das ist wichtig bei Capoeira und auch beim Mähen mit der Sense.

Man könnte fast sagen, dass du eine Autodidaktin bist?

Das stimmt nicht ganz. Ich habe informell gelernt und allein getüftelt, hatte aber auf meinem Weg auch viele Begegnungen mit wunderbar großzügigen Menschen, die mir gezeigt haben wie sie ihrerseits das Mähen und Dengeln angehen. Vieles habe ich geschenkt bekommen: Raum und Zeit, mich mit der Sense auszuprobieren, mit mir geteiltes Erfahrungswissen und Erlebnisse, die Möglichkeit, Werkzeug zu verwenden und zu reparieren und meinen ersten Dengelamboss.

Zu einem Kurs bei Klaus von schnitter bin ich erst sehr spät gekommen. Das hat mir viel gebracht und ich habe gesehen, dass ich mir vielleicht einiges ersparen hätte können. Aber andererseits bin ich auch froh darüber, auf diese Weise gelernt haben zu dürfen. Das war ein Anspruch an mich selbst. Und die Erinnerungen an diese Momente und meine Weggefährtinnen Weggefährten machen mich dankbar und glücklich.

Wie bist du zu schnitter gekommen?

Ich glaube, wenn mensch in Wien nach Sensen sucht, dann findet mensch schnitter.

Was fasziniert dich am Mähen mit der Sense, dass du dich so intensiv damit beschäftigst?

Es ist ein Spiel, das es möglich macht, auf eine sehr spannende Weise mit der Wiese und mit sich selbst in Beziehung zu gehen. Und das hat viele Ebenen: von der Ebene meines Atems bis zur zur Ebene meines Wirkens in der Wiese. Das gesamte Netz, in dem wir hängen, ist davon betroffen. Als Menschen gehören wir zu den größeren Säugetieren. Sehr viele der größeren Säugetiere interagieren mit Gräsern auf eine Art und Weise, die reziprok förderlich ist für den eigenen Fortbestand.

Große herbivore Säugetiere schaffen die Landschaft Waldsteppe. Die Gräser, die es dort gibt, sind sehr wichtige Kohlenstoffspeicher unserer Erde. Wir Menschen sind Teil in diesem Kreislauf und haben immer schon Gräser geerntet. Die Sense ermöglicht es uns, sehr großräumig mit Grasland in Interaktion zu gehen. Man bildet Landschaft auf diese Weise.

Mit der Sense zu mähen ist Arbeiten mit menschlicher Energie auf einen Zweck hin. Wir meinen oft, dass wir zu klein und zu schwach sind, um mit unserer menschlichen Energie noch etwas zu erreichen. Für uns ist es selbstverständlich geworden, dass uns mit Erdöl betriebene Maschinen zur Verfügung stehen. Die Sense ist ein sehr schönes und anschauliches Beispiel für die Möglichkeit, mit menschlicher Energie zu arbeiten. Ein Symbol dafür, was wir als Menschen mit der Energie unserer Nahrung erreichen können.

Eine besonders einprägsame Erfahrung für mich war, Heu zu machen. 2020 habe ich viel Zeit in einer demeter Baumschule im Waldviertel verbracht. Dort gab es acht Schafe. Und ich hatte die Ehre und die Freude, Gras mit der Sense zu mähen, zu trocknen und dann an die Schafe zu verfüttern. Das erleben zu dürfen, ist ein Geschenk von einem Gefühl.

Schnitter hat den Prozess der Betriebsübergabe eingeleitet und du hast dich gemeldet, um schnitter mitzugestalten und in die Zukunft zu tragen. Welche Akzente möchtest du setzen?

Ich habe mir keine weitreichenden Vorstellungen gemacht. Ich habe mir gedacht, Ada, du hast jetzt die Schneid und meldest dich da. Menschen die Sense nahe zu bringen, das kannst du und möchtest du auch gerne machen. In Gemeinschaft zu mähen und einander dabei zu stärken und zu unterstützen, das möchtest du auch, also melde dich da. Das war mein initialer Impuls.

Im Rahmen von schnitter können wir etwas für Wiesen und seltene Wiesen tun, wenn wir einander in Gemeinschaft finden und mit der Sense mähen. Trockene Magerrasen und Feuchtwiesen sind aus Sicht des Naturschutzes wertvolle Lebensräume. Um sie zu erhalten, müssen sie ein- oder zweimal im Jahr gemäht und das Schnittgut abtransportiert werden. Naturschutz geht uns alle etwas an. Als Gruppe von Menschen können wir da auf eine positive Art mitmischen, die wir bei anderen Lebewesen als Ökosystemleistung bezeichnen würden. So eine Naturschutzwiese mit dem Schnürlmäher zu mähen, ist keine Ökosystemleistung. Die Wiese kann den Schnürlmäher nicht ernähren. Uns Menschen kann die Wiese sehr wohl ernähren.

Es wird Zeit, dass wir Menschen auch einmal etwas Positives bringen. Das können auch Menschen machen, die keinen eigenen Zugang zu Land haben und nicht in der Landwirtschaft tätig sind.

Mein Traumbild ist, dass ich als in der Landwirtschaft tätiger Mensch dies mit der Sense bin.

Kannst du ein bißchen mehr über deine Arbeit in der Landwirtschaft erzählen?

Bei der erwähnten Reise nach Schottland haben sich mir sehr grundlegende Fragen gestellt. Was brauche ich, was braucht es und auf welche Weise kann ich würdevoll und angemessen auf dieser Welt leben. Es hat mich tief bestürzt und sehr traurig gemacht zu erkennen, wie zerstörerisch die Art und Weise zu leben ist, die ich als normal gelernt habe. In mir ist eine große Sehnsucht erwacht, Verantwortung dafür zu übernehmen, wie ich auf der Welt lebe. Dazu gehört für mich der Wunsch, zu einem hohen Grad durch meine eigene Kraft von und mit dem Land zu leben. Das ist ein Grundantrieb für das, was ich tue.

Ich versuche meine Schritte auf diesem Weg zu gehen. Dazu gehört mein Studium der Agrarwissenschaften an der Universität für Bodenkultur in Wien. Dazu gehört auch meine Arbeit im Gemüsebau in einem kleinen biologischen Betrieb mit solidarischer Landwirtschaft und Direktvermarktung.

Da arbeitest du mit den Händen in der Erde?

So viel ich kann. Ich bin die Person, die am Feld die Kulturen setzt, pflegt und erntet.

Und immer wieder verwende ich im Betrieb auch die Sense.

Was ist deine Lieblingssense?

Ich bevorzuge relativ kurze und robuste Sensenblätter zwischen 60 und 70 cm. Meine Sense muss viel aushalten. Schließlich möchte ich keinen Golfrasen mähen, sondern mich auch durchs Gestrüpp schlagen können.

Danke für das Gespräch!