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Gott fährt mit seinem Mähdrescher über das Land (Bild: Nikkolo Feuermacher 2019)

Klaus Kirchner spricht mit Theresa Böckle (mehr über sie unten).

Klaus: Macht Sensen-Mähen Sinn für den Boden?
Theresa: Ich glaube, ja.
Normalerweise wird, z.B. im Marchfeld, im großen Stil mit Saugmähern gemäht. Durch das Befahren mit dem großen Traktor wird die Erde verdichtet. Wenn die verdichtet wird kann es bis zur Unfunktionalität des Bodens kommen. Wenn kleinräumiger mit kleinerer Ausrüstung gemäht wird, wenn Du versuchst Teile der Wiese mit der Hand zu mähen, leistest Du allgemein einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz. Dein Kurs (Theresa Böckle ist Schnitterin) hat mir viel Spaß gemacht und ich habe viel darüber nachgedacht was das für die Biodiversität bedeutet. Mit der Sense kann man für Pflanzen, Tiere, den Lebensraum insgesamt einen großen Unterschied machen.

Klaus: Und für den Boden?
Theresa: Das ist eine schwierige Frage. Wenn man annimmt dass Du mit dem Sensenmähen die Diversität der Pflanzen beeinträchtigst (Wie, Wann, Wie viel gemäht wird kann fein gesteuert werden) könnte es durchaus möglich sein dass das eine Auswirkung auf den Boden und seine Funktionalität hat. Es gibt Arbeiten, die untersucht haben wie Pflanzendiversität die physikalischen Eigenschaften des Bodens beeinflussen.
(“Plant diversity and root traits benefit physical properties key to soil function in grasslands
oder:
Plant diversity increases soil microbial activity and soil carbon storage”)

Je diverser die Wiese, desto reichhaltiger ist die Erde darunter. Sensenmähen bringt Diversität in den Garten: erst blüht die eine Pflanze, dann kommt die andere. Wenn es verschiedene Arten von Gräsern gibt tust Du dem Boden schon etwas Gutes, denke ich. Ob und welche Auswirkungen das Sensenmähen aber wirklich hat müsste man sich in einem wissenschaftlichen Versuch genauer anschauen … hier kann ich nur Vermutungen aufstellen. Das ist meine Antwort.
Klaus: Du bist Bodenforscherin?
Theresa: Die letzten drei Jahre meines Lebens habe ich mich mit dem Stoffwechsel von Bodenmikroorganismen beschäftigt. Darüber geht meine Master-Arbeit.
Unser Labor heißt „Terrestrial Ecosystem Research“ und wir beschäftigen uns damit das Ökosystem des Bodens besser zu verstehen. In der letzten Übung, die ich als Tutorin begleitet habe, wurden Bodenproben aus einem Waldstück, einem Acker und einer Weide entnommen. Aus menschlicher Sicht sind die drei Standorte verschieden, sie kommen uns heterogen vor: Du siehst den Wald, den Acker, die Wiese. Aber wir können nicht in den Boden schauen und dort den Unterschied erkennen, z.B. auf der Ebene: Wie viel Kohlenstoff ist da drin? Wie viel Phosphor? Wie viel Stickstoff? Das müssen wir uns nachher im Labor genau anschauen. Das ist heute umso wichtiger, denn Boden ist extrem vielfältig, er ist unsere Lebensgrundlage, daher kommen unsere Lebensmittel, wir bauen auf Boden, wir bewegen uns auf Boden, die Bäume die uns den Sauerstoff machen wachsen im Boden, …
Um zu verstehen was im Boden los ist, musst Du ihn Dir im Labor auf verschiedenen Ebenen anschauen. Eine Arbeitsgruppe in unserem Labor beschäftigt sich mit Kohlenstoff in Permafrostböden. Wir wissen ohnehin schon, dass die ein riesiger
Kohlenstoffspeicher sind. Durch die Erderwärmung wird dieser Kohlenstoff in Form von Methan oder CO2 ausgestoßen. Es geht darum zu verstehen wie das geschieht, welche Mechanismen es gibt und welche Mikroorganismen daran beteiligt sind. Zu verstehen wie das Auftauen funktioniert hat Bedeutung für die ganze Welt.

Mitgliederversammlung

Bdeutung für die ganze Welt (Bild: Nikkolo Feuermacher)

Eine andere Gruppe beschäftigt sich mit Grundlagenforschung um Unterschiede in den verschiedenen Böden wahrnehmen zu können. Wir haben bei einer europaweiten Studie Wald, Wiese, Weide und Ackerböden verglichen. Wie schaut da die Stickstoffdynamik aus?
Eine Gruppe, die ich toll finde, beschäftigt sich mit Mykorrhiza-Pilzen. Diese Pilze formen Symbiosen mit mehr als 90% der Pflanzenarten und helfen ihnen Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen. Sie sind viel feiner als die Wurzeln eines Baumes.
Ich bin eigentlich Ökologin und nicht Bodenforscherin, weil mich immer die Zusammenhänge interessiert haben.
Wenn Du hier gegenüber den Stadtpark anschaust: da stehen Bäume herum. Aber sie stehen auf etwas drauf, und das was im Boden ist, ist wichtig. Die Symbiosen, die Zusammenarbeit z.B. mit diesen Pilzen ist nicht zu unterschätzen.
Mein Standpunkt als Ökologin ist: das Ganze sehen.
Klaus: Erde, Boden, kann ich das nicht in einem Plastiksackerl im Supermarkt kaufen? Ich hau ihn dann entweder in einen Pflanztopf oder schütte ihn in meinen Garten?
Theresa: Was da gekauft werden kann ist industriell hergestelltes Substrat, sehr nährstoffreiche Erde mit wahrscheinlich einem hohen Humus- und variablem Torfanteil. Aber Boden ist nicht nur diese Erde. Im Boden leben Tiere: Maulwürfe, Regenwürmer, Kleinstlebewesen, …
Ein Topf mit Erde ist etwas anderes als wenn Du in einem Wald stehst der über hunderte, tausende Jahre dort steht, wo alles Verbindung miteinander hat. Der Baum geht in die Erde, da wuseln die Tiere durch, zersetzten die Blätter, die der Baum abwirft, … Boden ist wie ein Lebewesen, er zeigt wenn es ihm nicht gut geht. Dann erodiert er zum Beispiel. Das sehen wir in Österreich jetzt deutlich mit der Erosion in Ackerlandschaften.
Anderes Beispiel: Wenn zu viel Salz gestreut wird.
In Wien gibt es seit 2003 eine Richtlinie, wo weitgehend versucht wird Salzstreuen zu vermeiden. Wenn unvermeidbar – wird Feuchtsalz verwendet, eine Emulsion bei der 30% weniger gestreut werden muss, weil es nicht so leicht verblasen werden kann.
Wenn Salz in den Boden gelangt führt das zu tiefgreifenden Veränderungen im Ionenhaushalt.
Klaus: Was macht es wenn ich den Weg von meiner Haustür bis zum Parkplatz salze, weil ich nicht eine halbe Stunde früher aufstehen möchte um Schnee zu schöpfen?
Theresa: Das Natriumchlorid, das da ausgestreut wird geht erst einmal in die Luft, wenn zum Beispiel der Wind weht. Wenn der Schnee schmilzt, fließt das Salz in Deinen Garten und Du siehst erst einmal nichts – es ist ja noch Winter. Wenn aber dann das Frühjahr kommt und die Pflanzen, Bäume wachsen wollen, ist es für sie wie eine Verätzung / Verbrennung. Dem Boden wird langfristig geschadet. Pflanzen müssen zum Wachsen Nährstoffe aufnehmen. Wenn am Ionenhaushalt gedreht wird können sie diese Nährstoffe nicht mehr ausreichend aufnehmen. Sie können auch nicht mehr viel Wasser aufnehmen. Was man als Mensch als erstes objektiv an den Pflanzen sieht (in den Boden kann man ja nicht reinschaun): obwohl es viel regnet schauen die Pflanzen aus als ob sie zu wenig Wasser hätten. Durch das Salz im Boden können sie das Wasser nicht aufnehmen.
Klaus: Selbst wenn ich mir eine computergesteuerte Bewässerungsanlage kaufe und anschließend kann ich meinem Garten nicht mehr helfen weil ich vorher Salz gestreut habe?
Theresa: Am Besten wäre es – wie meine Grosseltern (beide über 70) das machen: den Schnee wegschaufeln. Das ist zwar Arbeit, aber eine gute und wichtige Arbeit.
Klaus: Wenn meine Wiese schnell braun wird und nicht wächst kann es daran liegen, dass Salz hingeblasen oder geschwemmt wurde?
Theresa: Das ist möglich.Bild: Nikkolo Feuermacher. Stadtentpflastern

Klaus: Ist Boden denn eigentlich nicht nur Dreck?
Theresa: Wir Menschen haben oft eine grundsätzlich falsche Einstellung zu Dreck. Dreck ist wunderbar.
Gestern habe ich ein Elternpaar mit ihren Kindern beobachtet: die Kinder sind auf allen vieren auf der Erde im Gras herum und haben dort gespielt. Die Mutter hat gesagt: „Kinder stehts auf, machts Euch die Hände nicht schmutzig!“ Schmutzig, dreckig, Erde ist völlig ungerechtfertigt negativ konnotiert. Warum dürfen Kinder nicht mehr im Dreck spielen? Das habe ich nicht verstanden.
Klaus: Hat sich der Dreck verändert? Mir als Kind wurde noch gesagt: Erde und Sand essen ist gesund, denn das stärkt mein Immunsystem. Für meine Enkelkinder gibt es vielleicht zu viele Hunde und zu viele RaucherINNEN im öffentlichen Raum?
Theresa: Der urbane Lebensraum ist natürlich anderen Belastungen ausgesetzt als im Garten auf dem Land. Urbane Lebensräume wie der Stadtpark, Prater, Türkenschanzpark haben aber unglaublich wichtige Funktionen. Das vergessen viele Leute.
Klaus: Welche wichtige Funktion zum Beispiel?
Theresa: Abgesehen davon, dass Bäume uns Sauerstoff zum Atmen geben reduzieren sie Feinstaub. Offener Boden kann ebenso Staub zurückhalten. Wenn alles zubetoniert wird, wird es unglaublich heiß. JedeR die/der im Sommer einmal in Wien war weiß, dass die Stadt glüht und wie erfrischend es ist wenn man in den Prater geht. Dort ist eine kühle Feuchte von den Bäumen, die Luft weniger staubig. Bodenversiegelung ist eine reale Bedrohung in Österreich. Wenn Du den Stadtpark abrasierst und dafür eine Betonfläche machst hast Du Dir und der Natur geschadet.
Klaus: Ist eine Kiesfläche oder ein Kiesweg offener Boden?
Theresa: Kies ist Stein.
Boden entsteht folgendermaßen: Du hast ein Ausgangsgestein. Wenn zum Beispiel ein Vulkan ausgebrochen ist gibt es erst einmal nur Stein. Dann gibt es kleine Pflanzen, die versuchen dort zu wachsen. Sie sterben und hinterlassen ihren toten Körper auf dem vielleicht eine etwas größere Pflanze wachsen kann. So entsteht über Jahrtausende über dem was Stein war ein Boden. Das Ausgangsgestein ist wichtig. Wenn es ein Silikatstein ist, ist der Boden anders, weil er dann eine andere mineralische Zusammensetzung hat. Stein gehört auch zum Boden.
Klaus: Ist Boden eine Mischung von toten Pflanzen?
Theresa: Es sind Pflanzen und es siedeln sich dort natürlich auch Tiere und Mikroorganismen an und durch das Leben und Sterben bildet sich Boden. Es dauert manchmal 100 bis 200 Jahre bis 1 Zentimeter Humus entsteht (kann in anderen Ökosystemen abweichen). Der Mensch denkt nicht in solchen Zeitabschnitten. Denkst Du daran wie lange es dauert bis in Deinem Garten ein Zentimeter Humus entsteht?
Klaus: Ich kann schon Bäume nicht mehr erfassen. Da wird ein Baum umgeschnitten, der so alt ist wie ich. Und wenn ich einen neuen pflanze werde ich nie erleben wie er gross ist. Die Dimension eines Baumes ist mir schon zu viel, wie soll ich da Humus verstehen?
Theresa: Menschen schauen oft herab auf Pflanzen da sie nicht mit ihnen kommunizieren können. Aber Pflanzen können sehr wohl untereinander und mit anderen Lebewesen durch volatile Substanzen kommunizieren. („Plant volatiles as method of communication“) Nur weil wir Menschen das nicht verstehen heißt das nicht, dass dieser Teil der Welt nicht existiert. Deshalb ist Forschung wichtig, denn wir wollen das verstehen. Wir wollen in anderen Zeiträumen denken.
Klaus: Beim Denken in anderen Zeiträumen fallen mir Fridays for Future oder Scientists for Future ein. Trägst Du durch Deine Forschung etwas dazu bei Leben auf der Erde zu erhalten?
Theresa: Ich bin natürlich eine Einzelperson in einem Labor. Meine KollegINNen und ich haben bestimmt einen wichtigen Beitrag zu machen. Aber wir haben in der Wissenschaft auch ein Ausstrahlungs- und Kommunikationsproblem, wo uns die SchülerINNEN mit Fridays for Future helfen.

Bodenversiegelung

Bodenversiegelung. (Bild: Nikkolo Feuermacher)

Im letzten Monat habe ich mich viel mit Bodenversiegelung beschäftigt. Im UNIVERSUM Magazin stand „die Bodenversiegelung in Österreich ist zurückgegangen„. Das war die Message: „Jetzt sind wir nur mehr bei 10,5 Hektar Bodenversiegelung pro Tag in Österreich.“ Da habe ich mich gefragt: Ist das eine gute Nachricht? Wie war das die letzten Jahre? Österreich ist europaweit führend in der Bodenversiegelung. 10,5 Hektar am Tag sind ca. 14 Fußballfelder mit Standardgröße. Das ist viel Fläche. Was bedeutet Bodenversiegelung? Da kommt Asphalt oder Beton drüber und dann ist die Funktionalität des Bodens tot, dann sind alle Pflanzen tot. Und es ist fast nicht mehr rückgängig zu machen. 1 cm Humus in ca. 100 – 200 Jahren habe ich vorhin gesagt. Hier die Bodenversiegelung in Österreich seit 2001. Diese rote Linie bedeutet „Zielwert Nachhaltigkeits-Strategie„, das wären 2,5 Hektar pro Tag gewesen und das wurde NIE erreicht – immer überschritten. [Anmerkung: Wie können 2,5 Hektar pro Tag überhaupt nachhaltig sein? Wächst unser Planet 2,5 Hektar pro Tag?] So viele Menschen haben den Traum vom eigenen Haus im Grünen. Die Städte oder kleinen Ortschaften haben dann das Problem, dass im Ortskern die Häuser aufgelassen werden, aber jeder will etwas Neues bauen. Und zu den neuen Siedlungen am Ortsrand braucht es natürlich auch Infrastruktur: da muss zum Haus noch eine Straße gebaut werden, auch Boden der dann weg ist. Diese versiegelten Flächen sind Barrieren für Lebewesen. Überleg Dir wie viel da verloren geht. Nicht nur aus Sicht einer Biologin, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Wir machen uns durch die Bodenversiegelung wirtschaftlich abhängig. Die Flächen die versiegelt werden waren Ackerland oder Weiden. So wie der Boden verbaut wird verbaut sich Österreich auch seine Zukunft, denn wir sind dann immer mehr abhängig von Importen aus der Agrarwirtschaft anderer Länder. Was an unseren guten Böden verschwindet ist verloren. Mit diesem Thema beschäftig sich kein Mensch, aber es ist so wichtig und so massiv in Österreich.
Wenn die Fläche versiegelt ist kommt es mehr zu Überschwemmungen, denn der Boden kann dann kein Wasser mehr durchlassen. Niemand braucht sich darüber zu wundern dass der Keller unter Wasser steht. Wohin soll der Regen fließen? Der Keller ist der einzige Freiraum. Betonierte Einfahrt für das Auto, Platten auf die Flächen, alles sauber. Dem Boden wird die Funktion genommen Staubpartikel zurückzuhalten. Der Boden filtert das Wasser ehe es ins Grundwasser gelangt. Wenn da eine Schicht Beton drüber ist, fließt das ganze Wasser ungefiltert – deshalb ist es dreckig. Durch Betonieren des Bodens sorgen wir auch dafür dass es heiß wird. Du nimmst Dir selbst die Lebensqualität in der Stadt.
Klaus: Danke.

Dame mit Schnitterin-Diplom

Theresa Böckle

Zur Person Theresa Böckle:
Theresa: Ich bin diplomierte Schnitterin. Ich weiß nicht ob eine Arbeit beschreibt wie ein Mensch ist, aber: ich bin Ewigkeiten Studentin an der Universität Wien und beschäftige mich dort mit …
Klaus: Ewigkeiten kann ich nicht gelten lassen, sonst denken die Lesenden Du wärst da schon seit dem 14ten Jahrhundert (gegründet 1365).
Theresa: Schreib das ruhig und teste ob das jemand so genau liest. Ich mache seit 2 Jahren meine Master-Arbeit. Davor habe ich ein halbes Jahr in Paris studiert. „Die Franzosen“ machen allerdings nicht nur Biologie sondern legen auch großen Wert auf Philosophie: „Philosophy in Ecology“ (z.B. Buch „Philosophy of Ecology“ von Keller und Golley, 2000) ist dort ein Schwerpunkt. [Anmerkung: Emanuele Coccia ist Pflanzen-Philosophie-Professor in Paris.]
Jetzt arbeite ich seit drei Jahren im Nationalpark Donauauen in einem Projekt, in Projekten unseres Labors (Universität Wien) und mache meine ornithologischen Geschichten (z.B. Sensenkurs mit Vogel(be)stimmen).