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Head Shaveing Ceremony 1

Schröckenfux in Österreich produziert Sensen und liefert sie in die ganze Welt (wie vergangenes Monat beschrieben). Auch nach Kalifornien in das Aloka Vihara Waldkloster.

Klaus Kirchner, der den Sensenversand organisierte und die Nonnen 2020 online beraten hat (Bild ganz unten) spricht mit Ayya Santacitta Bhikkhuni, die in 2021 aus Kalifornien nach Wien gekommen ist.

Klaus Kirchner: Was sieht man auf dem Bild oben?

Ayya Santacitta: Ayya Anandabodhi Bhikkhuni, die Aloka Vihara gemeinsam mit mir gegründet hat, und – Janice am Tag ihrer Kopfrasur-Zeremonie. Das ist die „Anagarika 8 Regeln“ Zeremonie, an der sie die acht ethischen Regeln auf sich nimmt und dann für ein Jahr Postulant im Kloster ist. Auf dem Weg – wenn es von beiden Seiten aus gut geht – zur Novizin und später vielleicht auch Bhikkhuni.

Klaus Kirchner: Es ist die Frau in Weiß, die versucht diesen Weg zu gehen?

Ayya Santacitta: Sie schaut sich einmal an „wie es wäre wenn„.

Klaus Kirchner: Und auf diesem Bild?

Head Shaeving Ceremony 2

Ayya Santacitta: Das ist nach der Zeremonie – wie man sieht. Von links nach rechts: Maria (die zu der Zeit unsere Küchenmanagerin war), Ayya Dhammadipa, Ayya Niyyanika, Ayya Anandabodhi, Janice und ich.

Klaus Kirchner: Auf den beiden Bildern ist auch eine Sense. Warum?

Ayya Santacitta: Die Sense ist ein radikales Symbol für das Durchschneiden des Anhaftens an alten Gedankenmustern. Das Auftauchen der Sense bei dieser Zeremonie spricht an wie radikal dieser Schritt ist. Ayya Anandabodhi hatte vor langer Zeit einen Traum in Bezug auf die Praxis. In diesem Traum hat ihr ihr damaliger Lehrer den Kopf mit einer Sense rasiert.

Klaus Kirchner: Wie ist die Sense in das Kloster gekommen?

Ayya Santacitta: Mit der Post. Ayya Anandabodhi hat sich speziell für Sensen interessiert. Ihr Vater hat mit der Sense gemäht und sie selbst hat das vor Jahren in Wales gelernt. Es war ihr wichtig, dass wir dieses Werkzeug in unserem Kloster haben. Sie ist kein reiner Kultgegenstand.

Klaus Kirchner: Und warum mäht man in dieser Gegend in Kalifornien mit der Sense?

Ayya Santacitta: Wegen der Feuergefahr und in Verbindung mit den Versicherungsauflagen. Ausserdem sitzen auf den Spitzen der Gräser oft Zecken. Wenn man ohne einen gemähten Weg zum anderen Ende des Feldes geht, ist es für die Zecken leichter uns anzufallen. Das ist gefährlich, denn sie können uns mit Borreliose (Lyme Disease) anstecken. Normalerweise sollen voll ordinierte Bhikkhunis keine Pflanzen abschneiden, abreissen oder etwas in dieser Art, und auch nicht andere bitten so etwas zu tun. In unserer besonderen Situation mit den Waldbränden in Kalifornien und unserer Verantwortung für Kloster und Gäste haben wir beschlossen mit der Sense zu Mähen.

Klaus Kirchner: Die Wiese um das Kloster wird mit der Sensen gemäht?

Ayya Santacitta: In Kalifornien gibt es die Vorschrift, dass es ab einem bestimmten Moment nicht mehr erlaubt ist mit elektrischen Geräten zu mähen um Funkenflug zu verhindern. Auch wenn man mit einem Schnürlmäher auf einen Stein trifft, kann ein Funke entstehen, der genügen kann um einen Brand zu entfachen. Mit einer Sense kann weiterhin gemäht werden.

Klaus Kirchner: Wie ist die Situation im Kloster aktuell im September 2021?

Ayya Santacitta: Gerade ist ein Brand durchgekommen. Es konnte aber alles, bis auf zwei kleinere Aussengebäude, gerettet werden. Die Aussengebäude sind dem Erdboden gleich gemacht und völlig verbrannt. Das bedeutet eine grosse Unsicherheit wenn wir weiter in die Zukunft denken. Sensen oder nicht Sensen hilft dann nicht mehr.

Klaus Kirchner: Ist das eine Auswirkung des Klimawandels?

Ayya Santacitta: Des Klima-Chaos. Es war schon immer so, dass es in den heißen Monaten in Kalifornien zu Waldbränden kam. Aber so riesige Brände, so oft, so viele gleichzeitig – das ist neu. Es wird sich weiterhin häufen, denn die Trockenheit wird noch extremer. Das ist Teil der Auswirkungen wie wir auf dem Planeten leben.

Es braucht tiefe bewusstseinverändernde Prozesse, durch die wir gehen müssen wenn wir diese Entwicklungen noch wenden wollen. In den politischen Gruppierungen ist von den Menschen, die in Machtpositionen sind, niemand daran interessiert etwas zu ändern. Es gibt zwar Papiere, aber es werden keine Schritte vollzogen oder viel zu wenige.

Es muss einen massiven Druck geben, wie bei einer Revolution, um etwas zu ändern, denn unsere Zukunftsperspektive ist furchterregend. Entweder stehen viele Leute auf und gehen auf die Strassen um einen Veränderungsprozess zu beschleunigen, oder die Erde wird ihren Teil dazu beitragen um Veränderungen durchzusetzen. Wie das bereits an verschiedenen Orten der Welt zu beobachten ist, zum Beispiel in Kalifornien.

Es ist wie in einer kollektiven Schamanischen Reise, wo alles ins Chaos fällt. Menschen, die zum Schamanen berufen sind gehen oft durch eine Krankheit und sind nicht in der Lage ihrem normalen Leben weiter nachzugehen. Sie zerfallen. Wenn sie die Veränderungen wirklich durchgefühlt haben, werden sie wieder neu aufstehen mit einem anderen, weiteren Bewusstsein als vorher. Das ist unsere Reise im Augenblick. Ob wir uns dafür zur Verfügung stellen oder nicht, es gibt Veränderung. Wenn wir selbst mittun wird es weniger brutal werden und sich schneller ändern. Wenn wir uns dagegen stemmen und wegschaun, … ich erzähle Dir nichts neues.

Ich bin froh, dass ich eine Praxis habe. Es gibt zwar viel Ungewissheit aber ich bin nicht verloren in der Ungewissheit. Ich habe einen Kompass und weiss in welche Richtung ich mich bewege – auch wenn die Sicht sehr eingeschränkt ist. Natürlich sind durch die furchterregenden Ereignisse die Emotionen sehr angefeuert. Das wichtigste ist: nicht verloren zu sein und ohne Richtung im Chaos unterzugehen. Für mich macht das Sinn: das, dem Du Dich nicht freiwillig stellst, wird Dich irgendwann einholen. Das geschieht im Moment.

Die Sense ist für mich das Symbol für radikale Veränderung. Der Tod wird ja auch als Sensenmann dargestellt. Die radikalste Veränderung – the cutting edge of impermanence – ist der Tod. Der Weg den Janice versucht ist eine radikale Veränderung. Daher die Fotos oben.

Klaus Kirchner: Mit der Sense wird das Land nicht verbrannt oder dem Erdboden gleich gemacht. Durch das Mähen ergibt sich die Chance für neues Wachstum.

Ayya Santacitta: Und das Abgeschnittene kann sogar noch für etwas verwendet werden. Nothing is lost. Nichts geht verloren.

Sensenkurs online. Foto: Irmgard Kirchner 2020