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Bild: Nikkolo Feuermacher

Das Mähen mit der Sense steht allen Menschen frei, unabhängig von einer Religion. Zufällig sprach Klaus Kirchner mit der buddhistischen Nonne Santacitta Bhikkhuni über Sensenkurse:
Klaus: Du bietest den Menschen Reden und Meditation an. So wie viele, die den buddhistischen Weg gehen.
Santacitta: Ja.
Klaus: Ich nehme einen Unterschied wahr: Vielen buddhistischen Zentren (die ich kenne) ist es wichtig sich auf keinen Fall in irgend etwas einzumischen. Sie würden zum Beispiel nicht an Demonstrationen zum Klimaschutz teilnehmen. Sie bieten Kurse an und was immer die Teilnehmenden mit dem Gelernten tun: ob sie sich selbst-optimieren um besser Atomkraftwerke verkaufen zu können, ob sie danach Radfahren oder Fliegen, mit Waffen handeln, … all das ist deren Geschichte. Da mischt sich niemand ein. Mischen sich Du und die Deinigen ein?
Santacitta lacht : Ich würde das nicht Einmischen nennen. Wir sehen unser Lehren nicht losgelöst vom Hintergrund. Für uns ist die Basis um das Gelernte anzuwenden die 5 Ethischen Regeln: schaffe kein Leid, nimm nicht was nicht gegeben wird, verletze nicht andere und Dich selbst mit Deiner sexuellen Energie, lüge nicht, nimm keine Drogen (inklusive Alkohol) die Rücksichtslosigkeit befördern.
Wenn Du glaubst diese 5 Dinge wären nur Möglichkeiten und nicht Teil der Lehre, dann ist die ganze Praxis abgeschwächt. Wenn ich an Klimademonstrationen teilnehme sehe ich das nicht als einen politischen Akt, sondern ich spreche darüber: „vielen Wesen Leid zuzufügen und rücksichtlos zu sein„. Was heute z.B. Mindfulness-Based-Stress-Reduction (MBSR aus den 1970er Jahren: University of Massachusetts Medical Centre / USA, Professor Jon Kabat-Zinn) heisst – alle diese Fortbildungen gehen nicht auf die Fragen ein bezüglich der Ethischen Regeln, Karma, beabsichtigte Wirkung, Wiedergeburt usw. Wir in Aloka Vihara unterrichten das im Zusammenhang mit der ganzen Lehre Buddhas, nicht nur seinen Lehren über Meditation.
Klaus: Ist das der Unterschied, dass Du das Ganze anschaust?
Santacitta: Es soll nicht heissen „ich bin besser weil ich das Ganze mache – und die anderen machen nicht das Ganze„. Das Ganze verkauft sich natürlich weniger gut, als wenn Du das Stress-Reduction Programm herausnimmst und die Teilnehmenden damit besser konsumieren können, weil sie wissen wie sie den Stress reduzieren. Das verkauft sich natürlich besser und kann auch losgelöst von Religion und Kontext verpackt und gehandelt werden, …
Wir machen es anders. Das verkauft sich nicht so gut, denn nicht jedeR will die 5 Ethischen Regeln einhalten, die die Basis für ein „gutes Leben im Buddhismus“ festlegen. Da gibt es kein Entkommen.

Santacitta Bhikkhuni

Klaus: Es könnten sich nur Meister und Meisterinnen, Nonnen und Mönche an die 5 Regeln halten, aber wenn ich Deine Reden höre, höre ich, dass das alle Menschen tun sollen?
Santacitta: Ich sage in jeder Rede irgendwann einmal „ohne die Grundlage der 5 Regeln werden diese Anleitungen nicht sehr wirkmächtig sein„. Wie wenn Du eine Sense kaufst, einen Sensenkurs machst aber danach nicht weisst wie Du die Sense schärfen kannst. Wenn Du diesen Teil nicht gelernt hast, kannst Du „a bissl mähen„, aber was machst Du dann? Dann geht nichts mehr. Dir fehlt ein fundamentaler Teil. Dadurch, dass die Leute das nicht so gerne hören …
Klaus: … kommt niemand zu Euch.
Santacitta: Natürlich kommen Leute zu uns. Es gibt genügend, die sich dafür interessieren. Unser Leben ist OK, wir erhalten ausreichend Unterstützung, das Kloster-Haus ist im Dezember 2019 abbezahlt. Aber wir sind keine Massen-Bewegung mit der wir ein riesiges Meditations-Zentrum aufbauen könnten.
Klaus: Aber ist das Euer Ziel?
Santacitta:Eh nicht.

Klaus: Ich spreche bei den Sensenkursen mit vielen Menschen z.B. mit einer Forscherin zu Boden-Mikroorganismen, mit Ornithologen (Vogelkundlern), Schmetterlings-, Bienen-, Grashüpfer-, Baum- freundINNEN. Alle beobachten wie im Augenblick die Mehrheit der Menschen handelt und damit Lebensräume vernichtet. Wäre es nicht gut wenn die Menschen aussterben – wenn sie sich so aufführen?
Santacitta: Das ist weder gut noch schlecht. Es ist ein Verlust von Natur. Wenn eine Art zur Plage wird, wenn sie sich nicht an die Umwelt anpassen kann weil sie zum Beispiel zu viele Kalorien verbraucht, dann stirbt sie aus. Wie die Saurier ausgestorben sind. Es ist möglich, dass wir aussterben, wenn es uns nicht gelingt uns anzupassen. Aber das ist weder gut noch schlecht. So ist es einfach.
Aber natürlich würde ich alles versuchen damit das nicht passiert. Wenn wir als Art aussterben, wird eine andere Art nachkommen. Wenn wir – Du und ich und jedes Individuum – versuchen so gut wie möglich das Ganze noch zu drehen ehe es in einem „Klimawechsel zum Weglaufen“ explodiert, dann schafft jede Tat in diese Richtung gutes Karma auf unserem „karmischen Konto“. Das wird uns zu gute kommen für unsere nächste Wiedergeburt. Gleichzeitig dienen wir auch allen fühlenden Wesen, die jetzt leben. Das tun wir mit dem Wissen dass es keine endgültige Lösung für Samsara gibt. Hast Du das Wort Samsara schon einmal gehört?
Klaus: Samsara ist die Welt in der wir leben?
Santacitta: Samsara ist: das ständige Werden, ständig etwas anderes zu wollen, ständig zu denken das Gras ist grüner auf der anderen Seite des Zauns, getrieben zu sein, der Befriedigung hinterherzulaufen und zu laufen und sie nie zu erreichen, oder sie für einen Moment zu erfahren und dann das nächste zu wollen.
Wir sind alle im Samsara geboren weil Gier, Hass und Täuschung in unserem Bewusstseins-Strom sind. Die einzige Lösung liegt darin: Deinen Bewusstseins-Strom so zu klären, dass Du nicht mehr geboren wirst. Oder – wenn Du ein Bodhisattva bist – Dir auszusuchen hier geboren zu werden um den fühlenden Wesen weiter zu helfen.
Dem Buddhismus entsprechend gibt es verschiedene Ebenen, verschiedene Sphären in denen Du geboren werden kannst: als Tier, als Höllenwesen, als hungriger Geist, als eine Art Engel oder Göttin / Gott. Das ist alles unbeständig. Du wirst geboren entsprechend der karmischen Voraussetzungen Deines Bewusstseins-Stroms. Wo immer Du hingeboren wirst, kannst Du dann diese Sphäre nicht mehr ändern. Aber Du kannst Dich verändern und dadurch kommst Du anschliessend nicht mehr hierher. Samsara kann nicht endgültig repariert werden. Aber wenn Du gutes Karma schaffen und an Deinem Bewusstseins-Strom arbeiten willst, dann versuchst Du Samsara zu verbessern – wissend, dass Du es nicht endgültig verbessern kannst. Verstehst Du mich?
Wie wenn Deine Mutter schwer krank wird: Du weisst sie wird sicher sterben. Aber Du bist bei ihr, pflegst sie und bist mit ihr bis sie dann wirklich stirbt. Das gleiche gilt für den Planeten: eines Tages wird er enden, wenn die Sonne explodieren wird – in einer Billion Jahre. Inzwischen möchte ich das beste aus diesem Ort machen – für zukünftige Generationen. Ich tue was ich kann und dann lasse ich los, wissend, dass ich das best mögliche getan habe. Wenn ich mit dem sicheren Gefühl sterbe das beste getan zu haben was möglich war – mehr geht nicht – so gut kann es werden.
Klaus: Gehst Du davon aus, dass es ein Bewusstsein auch ausserhalb von Menschen gibt? Wenn auf der Erde keine Menschen mehr leben können, weil sie die Erde so heruntergewirtschaftet haben: Dass jemand als Küchenschabe geboren wird – weil auf der Erde kein Mensch mehr leben kann? Oder würdest Du auf einem anderen Planeten geboren werden?
Santacitta: Das weiss ich nicht. Wie sollte ich das wissen können? Aber ich glaube nicht, dass die Erde der einzige Planet im ganzen Universum ist auf dem es Lebewesen gibt. Es wäre albern das zu glauben. Das macht keinen Sinn. Es gibt unzählige Sonnen-Systeme. Sicherlich gibt es etwas, aber ich weiss nicht wo und wie. Ich bin sicher, dass es andere Orte gibt an denen Du geboren werden kannst. Selbst hier auf unserem Planeten Erde – wenn Du denkst – leben Tiere in einem ganz anderen Universum als wir. Aber wir können sie sehen und Beziehungen / Freundschaften haben. Manche Menschen sehen Geister. Warum sollte es da nicht noch mehr geben, nur weil wir es nicht sehen oder messen können? Na und? Es gibt mehr Spektren als unsere Sinnesorgane wahrnehmen können.
Klaus: Auch wenn ich das Gefühl habe alles hier geht den Bach runter und ausser einer Hand voll Menschen ist das allen egal, dann sollte ich immer noch versuchen freundlich und liebevoll zu sein? Mich an die Regeln und Empfehlungen halten weil es trotzdem noch eine Wiedergeburt geben würde? Mein Bewusstsein ein Teil von irgend etwas ist?
Santacitta: Absolut. Zugleich bist Du eine Quelle der Schönheit und Du kannst Angstlosigkeit an andere Wesen verschenken, in Zeiten grosser Belastung. Das ist schon ziemlich gut. So kannst Du andere Leute motivieren, dass sie auch nicht einfach alles hinschmeissen. Das wäre eine Verschwendung der wertvollen menschlichen Geburt: weil als Mensch geboren zu werden als die beste Geburt angesehen wird um sich weiterzuentwickeln. Die Mischung von Freud und Leid ist üblicherweise so, dass man irgendwann im Laufe eines Lebens zu verstehen lernt, dass mann/frau Wahlfreiheit hat, unabhängig von Umständen. Wir haben eine Art von Bewusstsein mit dem wir verstehen können wie es funktioniert: Fortschritt am Weg. Wir wissen wie man das macht. Ein Hund versteht das zum Beispiel nicht, der hat wenig Chancen Fortschritte zu machen.
Klaus: Ich erlebe um mich herum viele intelligente, liebevolle, aber hoffnungslose Menschen.
Santacitta: Extinction Rebellion gibt mir viel Hoffnung. Mit dem was sie tun. Ich würde bis zum letzten Moment immer noch probieren irgend etwas gutes aus der Situation zu ziehen, denn das kann frau/mann ja.
Klaus: Ich habe ein verhältnismässig vergnügliches Leben und mache mir Gedanken: Was hat einen Sinn? Wohin gehen? Wo sich engagieren? Ich habe vieles aufgehört zu tun weil ich finde, dass es zu nichts führt. Dafür biete ich anderes an, z.B. Sensenkurse, bei denen ich das Gefühl habe sie führen zu etwas.
Santacitta: Das ist ein guter Beitrag zur Artenvielfalt (Bio-Diversität) und zur Achtung der Natur. Auf Eurer Webseite die Fotos mit den Leuten mit der Sense: Es scheint sie wirklich froh zu machen. Das sind berührende Bilder.
Klaus: Ich glaube das ist ein Spass und es gibt auch das Gefühl mit meinen eigenen Händen etwas tun zu können was Diversität und Leben unterstützt.
Santacitta: Wir sind in einer sehr verschreckenden Situation, wo wir immer mehr dem Untergang entgegen rollen. Es ist verrückt und furchtbar. In so einer Situation ist es wichtig beide Wahrheiten gleichzeitig zu halten: am Ende ist alles unbeständig – auch ein Planet, ein Sonnen-System oder ein Universum. Trotzdem gibt es so lange wir leben Gesetze: wenn Du freundlich bist, wenn Du grosszügig bist, anderen Wesen hilfst, dann ist das gut. Das verschwindet nicht mit dem Klimawandel. In einer solchen Zeit ist das noch notwendiger. Wenn wir anfangen uns in uns selbst zu verschliessen und total zu kämpfen, auf die rechte Seite rücken „Ich und mir“ – wird alles nur noch schlimmer werden.
Klaus: Danke.

Bild: Nikkolo Feuermacher

Hier drei „Links“ zum Thema:

Facing the Climate Emergency

Facing Extinction von Catherine Ingram

Buchtip (auch als Hörbuch): „Mindfulness for All: The Wisdom to Transform the World“ von Jon Kabat-Zinn, 2019, New York / USA